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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Bärtchen.
    Mrs Luttrell, die prompte Entscheidungen liebte, machte keine langen Umstände.
    »Man wird die Tür aufbrechen müssen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
    Zum zweiten Mal in meinem Leben war ich Zeuge, wie auf Styles eine Tür aufgebrochen wurde. Es war dasselbe geschehen wie damals: Tod durch Gewaltanwendung.
    Norton lag mit seinem Morgenmantel bekleidet auf dem Bett. Der Zimmerschlüssel steckte in seiner Tasche. In der Hand hielt er eine kleine Pistole, die fast wie ein Spielzeug aussah, aber ihre Wirkung getan hatte. Genau in der Mitte seiner Stirn befand sich ein kleines Loch.
    Einen Moment lang fühlte ich mich an irgendetwas erinnert. Etwas, das sicher schon weit zurücklag…
    Ich war zu müde, um darüber nachzudenken.
    Als ich Poirots Zimmer betrat, fiel ihm sofort mein Gesichtsausdruck auf.
    »Was ist passiert?«, fragte er rasch. »Norton?«
    »Tot!«
    »Wie? Wann?«
    Ich teilte es ihm in knappen Worten mit. »Sie sagen, es sei Selbstmord«, schloss ich bedrückt. »Was soll man sonst auch glauben? Die Tür war abgeschlossen. Die Fensterläden waren von innen verriegelt. Der Zimmerschlüssel steckte in seiner Tasche. Ja, ich habe ihn sogar ins Zimmer gehen sehen und gehört, wie er abschloss.«
    »Sie haben ihn gesehen, Hastings?«
    »Ja, gestern Abend.« Ich berichtete.
    »Sind Sie sicher, dass es Norton gewesen ist?«
    »Natürlich! Ich würde seinen scheußlichen alten Morgenmantel unter Tausenden erkennen.«
    Für einen Augenblick war Poirot wieder ganz der Alte.
    »Aber Sie sollen doch einen Menschen und nicht einen Morgenmantel identifizieren! Ma foi! So einen Morgenmantel kann jeder anziehen.«
    »Das stimmt«, gab ich zögernd zu. »Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Aber es war unverkennbar sein Haar, und das leichte Hinken – «
    »Jeder kann hinken. Mon Dieu!«
    Ich sah ihn verblüfft an. »Wollen Sie damit andeuten, Poirot, dass es nicht Norton war?«
    »Ich will nichts dergleichen andeuten. Ich habe mich nur über die unwissenschaftliche Art geärgert, mit der Sie begründen, dass Sie Norton gesehen haben. Nein, nein, ich behaupte keinesfalls, dass es nicht Norton war. Es kommt kaum jemand anderes in Betracht, denn alle männlichen Bewohner hier sind groß – sehr viel größer als er –, und seine Größe kann man nicht verändern – die nicht. Norton war höchstens einen Meter fünfundsechzig groß, würde ich schätzen. Tout de même, es sieht aus wie ein Zaubertrick, nicht wahr? Er geht in sein Zimmer, schließt die Tür ab, steckt den Schlüssel ein und wird erschossen aufgefunden, mit der Pistole in der Hand und dem Schlüssel noch immer in der Tasche.«
    »Dann glauben Sie also nicht, dass er sich selbst erschossen hat?«, fragte ich.
    Poirot schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein«, erwiderte er, »Norton hat sich nicht selbst erschossen. Er wurde mit Vorbedacht getötet.«
     
    Ich ging verwirrt nach unten. Der Fall war so rätselhaft, dass es vielleicht verzeihlich ist, wenn ich das nächste unausweichliche Ereignis nicht kommen sah. Ich war wie benommen. Mein Kopf arbeitete nicht richtig.
    Und doch war es so logisch! Norton war getötet worden – weshalb? Um zu verhindern – so nahm ich wenigstens an –, dass er ausplauderte, was er gesehen hatte.
    Aber er hatte sein Wissen einer andern Person anvertraut.
    Und damit war diese Person auch in Gefahr…
    Sie war nicht nur in Gefahr, sie war noch dazu hilflos.
    Ich hätte es wissen müssen! Ich hätte es voraussehen müssen…
    »Cher ami!«, hatte Poirot gesagt, als ich das Zimmer verließ.
    Es waren die letzten Worte, die ich von ihm hören sollte. Denn als Curtiss kam, um nach seinem Herrn zu sehen, fand er ihn tot.

18
     
    I ch möchte gar nicht darüber schreiben. Ich möchte so wenig wie möglich daran denken. Hercule Poirot war tot – und mit ihm war ein Stück von Arthur Hastings gestorben.
    Ich werde nur über die Tatsachen berichten, ohne Ausschmückungen. Mehr kann ich nicht ertragen.
    Er starb, wie es hieß, eines natürlichen Todes – genauer gesagt, an einem Herzversagen. Franklin erklärte, dass er es erwartet habe. Der Schock über Nortons Tod habe den Anfall zweifellos ausgelöst. Durch irgendein Versehen habe Poirot das Amylnitrit offenbar nicht zur Hand gehabt.
    War es tatsächlich ein Versehen? Hatte jemand das Mittel absichtlich fortgenommen? Nein, da musste noch etwas anderes sein: X hatte nicht mit einem Herzanfall Poirots rechnen können.
    Die Sache ist nämlich die: Ich weigere

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