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Vorhang

Vorhang

Titel: Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nahm ich wenigstens an – neue Hoffnung. Ohne zu überlegen, sagte ich: »Ich bin überhaupt nicht aufgeregt, im Gegenteil, ich bin heute sehr bedrückt. Ich habe schlechte Nachrichten, die meinen alten Freund betreffen.«
    »Monsieur Poirot?«
    Ihre Anteilnahme veranlasste mich, ihr mein Herz auszuschütten.
    Danach sagte sie sanft: »Ich verstehe. Jeder Augenblick kann also das Ende bringen?«
    Unfähig zu sprechen, nickte ich.
    Nach einer Weile sagte ich: »Wenn es ihn nicht mehr gibt, werde ich auf der Welt ganz allein sein.«
    »Aber nein – Sie haben doch noch Judith und Ihre anderen Kinder.«
    »Sie leben über die ganze Welt verstreut, und Judith – nun, Judith hat ihre Arbeit, sie braucht mich nicht.«
    »Ich glaube, dass Kinder ihre Eltern nur dann brauchen, wenn sie in Schwierigkeiten sind. Das ist eine alte Weisheit – Sie sollten sich an diesen Gedanken gewöhnen. Ich bin viel einsamer als Sie. Meine beiden Schwestern sind weit fort, die eine in Amerika, die andere in Italien.«
    »Meine Liebe«, sagte ich. »Ihr Leben beginnt doch erst.«
    »Mit fünfunddreißig?«
    »Fünfunddreißig Jahre – was ist das schon? Ich wollte, ich wäre fünfunddreißig!« Und anzüglich fügte ich hinzu: »Ich bin nicht blind, wissen Sie.«
    Sie sah mich fragend an und errötete. »Sie glauben doch nicht etwa – oh! Stephen Norton und ich sind nur Freunde! Wir haben viele gemeinsame Interessen – «
    »Umso besser.«
    »Er ist – er ist einfach nur freundlich zu mir.«
    »Oh, meine Liebe«, erwiderte ich. »Glauben Sie nicht, dass alles nur Freundlichkeit ist. So sind wir Männer nicht.«
    Elizabeth Cole war plötzlich bleich geworden. »Sie sind grausam – blind!«, sagte sie mit leiser, angestrengter Stimme. »Wie könnte ich je daran denken zu – zu heiraten. Bei meiner Vergangenheit! Mit einer Schwester, die eine Mörderin – oder eine Wahnsinnige ist. Und ich weiß nicht, was schlimmer ist!«
    »Quälen Sie sich doch nicht mit solchen Vorstellungen!«, mahnte ich.
    »Bedenken Sie, dass es vielleicht nicht wahr ist.«
    »Was meinen Sie damit? Es ist wahr!«
    »Erinnern Sie sich nicht, dass Sie einmal zu mir gesagt haben: ›Maggie war es nicht‹?«
    Sie atmete heftig. »Ich hatte nur so ein Gefühl.«
    »Gefühle trügen – selten!«
    Sie starrte mich an. »Was soll das heißen?«
    »Ihre Schwester hat Ihren Vater nicht umgebracht!«
    Sie schlug die Hand vor den Mund und sah mich mit großen, ängstlichen Augen an.
    »Sie sind verrückt«, rief sie. »Sie müssen verrückt sein! Wer hat Ihnen so was erzählt?«
    »Das ist doch gleichgültig! Es stimmt jedenfalls. Eines Tages werde ich es Ihnen beweisen.«
     
    In der Nähe des Hauses stieß ich auf Boyd Carrington.
    »Heute ist mein letzter Abend«, teilte er mir mit. »Morgen reise ich ab.«
    »Nach Knatton ?«
    »Ja.«
    »Wie aufregend für Sie!«
    »Vermutlich!« Er seufzte. »Ich kann Ihnen verraten, Hastings, ich bin sehr froh, von hier wegzukommen.«
    »Ja. Das Essen ist ziemlich schlecht und der Service auch.«
    »Das meine ich nicht. Schließlich ist es billig, und man kann von derartigen Gästehäusern nicht viel erwarten. Nein, Hastings, ich spreche nicht von diesen Unannehmlichkeiten. Irgendwie gefällt mir das Haus nicht – es hat eine ungute Atmosphäre. Hier gehen seltsame Dinge vor.«
    »Das kann man wohl sagen!«
    »Ich weiß nicht, was es ist. Vielleicht ist ein Haus, in dem sich ein Mord ereignet hat, nie mehr so wie vorher… Jedenfalls – ich mag es nicht. Zuerst Mrs Luttrells Unfall – eine ganz unglückselige Geschichte. Und dann die arme, gute Barbara.« Er schwieg einen Augenblick. »Von allen Leuten, die ich kenne, hätte ich ihr einen Selbstmord am wenigsten zugetraut.«
    Ich zögerte. »Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde – «
    »Ich schon«, unterbrach er mich. »Zum Teufel, ich war am Tag zuvor fast die ganze Zeit mit ihr zusammen. Sie war bester Laune und genoss unseren Ausflug. Ihre einzige Sorge war, dass John sich mit der Arbeit übernehmen oder verrückte Selbstversuche anstellen könnte. Wissen Sie, was ich glaube, Hastings?«
    »Nun?«
    »Ihr Mann ist derjenige, der sie auf dem Gewissen hat. Er hat sie fertiggemacht! In meiner Gesellschaft war sie immer ganz vergnügt. Er ließ sie fühlen, dass sie seiner kostbaren Karriere schadete, und daran ist sie zerbrochen. Verdammt gefühllos, der Bursche, hat nie eine Träne vergossen. Hat mir ganz ruhig erzählt, dass er jetzt nach Afrika führe. Wissen Sie,

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