Vorhofflimmern
Kopf.
„Deine Haare sind viel schöner“, hauchte er und strich mir sanft eine Strähne
aus dem Gesicht.
Dabei streifte er meine erhitzte Wange und in diesem
Augenblick hörte ich gänzlich auf zu atmen. Mein Körper verwandelte sich in
eine einzige Gänsehaut und ich schloss automatisch genussvoll die Augen.
Gott, wenn schon diese eine, kleine Berührung meinen Körper
derart reagieren ließ, was wäre dann wenn...
STOPP!
Ich riss die Augen auf und bekam eine Art hysterischen
Anfall.
„Hör auf damit!“, kreischte ich und schlug heftig seinen Arm
beiseite. Gehetzt sprang ich von ihm weg und schrie ihn dabei wütend an: „Warum
tust du das? Ich will keinen Sex mit dir! Na schön, das war jetzt gelogen. Ich
habe schon das eine oder andere Mal daran gedacht, aber erstens birgt ein
One-Night-Stand unter Kollegen riesige Gefahren und zweitens sehe ich nicht
ein, eine deiner vielen Eroberungen zu werden! Da geht’s alleine schon ums
Prinzip. Aber wieso strengst du dich denn überhaupt so an? Dein ganzes Getue
ist schon ein wenig übertrieben, nur um mich in deine Kiste zu bekommen, oder?“
Ich war von meiner eigenen Ehrlichkeit erstaunt. In diesen
wenigen Sätzen hatte ich ihm alles gesagt, was mir seit Wochen durch den Kopf
ging. Scheiß Alkohol…
Desiderio reagierte mal wieder erstaunlich gelassen. Er war
sogar die Ruhe in Person, als er ernst antwortete: „Du hast natürlich recht.
Das hier ist wirklich unglaublich viel Aufwand, um dich in meine Kiste zu
bekommen. Allerdings wollte ich dich eigentlich so schnell nicht mehr daraus hinaus
lassen.“
Ich schnaufte und staunte. Was sollte das denn jetzt
eigentlich heißen? Meinte er mit dieser Aussage eine Langzeit-Bettgeschichte
oder eine richtig ernste Beziehung? Jetzt war ich vollends durcheinander.
„Du... du... du...“, stammelte ich hirnlos.
Er nutzte meine Verwirrung schamlos aus und trat wieder näher
an mich heran. Vertraulich legte er mir eine Hand auf den Oberarm. „Gib mir
bitte eine Chance, damit ich es dir beweisen kann.“
Eine ganze Horde von Gefühlen überrannte mich mit einem
Schlag.
Freude, Aufregung, Zärtlichkeit, Ungewissheit und vor allem
Angst.
Angst davor, einen großen Fehler zu begehen.
Völlig überfordert schüttelte ich seine Hand von mir ab.
„Nein. Ich kann nicht“, stieß ich hervor und ergriff nun schon zum dritten Mal
an diesem Abend die Flucht.
„Warte!“, rief er mir noch hinterher.
Kopflos eilte ich weiter. Dann hörte ich wie jemand rief:
„Hey, Desiderio! Wo warst du denn?“
Er wurde aufgehalten. Das war gut.
Komplett aufgelöst kam ich schließlich bei Vera an.
„Himmel, was ist denn mit dir passiert?“, fragte sie
erschrocken.
„Du, mir geht’s gar nicht gut“, erklärte ich, was ja nicht
gelogen war. „Ich muss unbedingt heim, in mein Bett.“
Sie nickte mitfühlend und schob mein blasses Gesicht wohl auf
einen übermäßigen Alkoholgenuss. „Sollen wir dich begleiten?“
„Nein, nein“, wehrte ich schnell ab. „Das ist schon in
Ordnung. Feiert ihr noch ein wenig weiter. Ich melde mich morgen bei dir, okay?
Gute Nacht!“
Eilig verließ ich das Go, bevor Desiderio noch meine Fährte
aufnehmen konnte.
Kapitel 15
Ich marschierte mit klappernden
Absätzen die Hauptstraße entlang und versuchte mit meinen Gedanken klar zu
kommen.
Desiderio bat mich um eine Chance. Aber wie hoch würde der
Preis dafür sein?
Sobald ich meine Schutzblockade löste, würde ich ihm
hoffnungslos verfallen, das wusste ich. Nie zuvor hatte ich mich von einem Mann
so derart angezogen gefühlt, wie von ihm.
Doch was, wenn er die Chance, die ich ihm gab, vermasselte?
Dann würde ich in ein solch tiefes Loch fallen, dass ich mich
von dem Sturz wohl nie wieder erholen würde.
Es gab einen bestimmten Grund, warum ich mein Vertrauen so
äußerst akribisch bewahrte. Ich wusste genau, wie es sich anfühlte, wenn einem
das Herz aus der Brust gerissen wurde. In jungen Jahren hatte ich diese brutale
Erfahrung machen müssen und mir damals geschworen, dass ich so etwas niemals
wieder durchmachen würde.
Verbissen und verwirrt stöckelte ich weiter. Ein kleiner
Kieselstein auf dem Gehweg reichte aus, dass ich mit dem rechten Fuß umknickte.
Scheiß beschissene Kack-Absätze!
Ich war den Tränen nahe. Jetzt schmerzten nicht nur meine
Fußballen, nein, jetzt hatte ich mir auch noch die Außenbänder überdehnt.
Fluchend bückte ich mich und massierte mir kurz meinen
brennenden Knöchel.
Weil mir nun aber
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