Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
Äthanols, Konversation mit Barrayaranern
betäubte den Verstand zur Genüge. Ihre Augen suchten Aral in der Menge – da war er, mit Kou neben sich, im Gespräch mit Piotr und zwei anderen grauhaarigen alten Männern in Grafenlivree. Wie Aral vorhergesagt hatte, war sein Gehör innerhalb weniger Tage wieder normal geworden. Aber immer noch wanderten seine Blicke von Gesicht zu Gesicht, nahmen Hinweise aus Gesten und Nuancen auf; sein Glas, von dem er noch nicht getrunken hatte, war nur Dekoration in seiner Hand.
Er war im Dienst, ohne Frage. War er überhaupt noch einmal außer Dienst?
»War er sehr beunruhigt durch diesen Angriff?«, fragte
Vordarian, der ihrem Blick zu Aral gefolgt war.
»Wären Sie nicht beunruhigt?«, erwiderte Cordelia. »Ich
weiß es nicht… Er hat so viel Gewalt in seinem Leben
gesehen, fast mehr als ich mir vorstellen kann. Vielleicht ist es für ihn fast so etwas wie … weißes Rauschen. Einfach ausgeblendet.« Ich wünsche, ich könnte es ausblenden.
»Sie kennen ihn allerdings noch nicht so lange. Erst seit
Escobar.«
»Wir haben uns einmal vor dem Krieg getroffen. Kurz.«
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»Oh?« Seine Augenbrauen hoben sich. »Das wusste ich
nicht. Wie wenig man doch wirklich von den Leuten weiß.« Er machte eine Pause, beobachtete Aral, beobachtete sie, wie sie Aral beobachtete. Einer seiner Mundwinkel krümmte sich nach oben, dann verschwand das Zucken, als er nachdenklich seine Lippen schürzte. »Er ist bisexuell, wissen Sie.« Er trank einen kleinen Schluck von seinem Wein.
»War bisexuell«, korrigierte sie gedankenverloren, während sie zärtlich durch den Saal blickte. »Jetzt ist er monogam.«
Vordarian verschluckte sich. Cordelia beobachtete ihn
besorgt und überlegte, ob sie ihm auf den Rücken klopfen
sollte, aber er kam wieder zu Atem und fasste sich. »Er hat Ihnen das gesagt? « , schnaufte er verwundert.
»Nein, Vorrutyer sagte es mir. Kurz bevor ihm sein… äh …
tödlicher Unfall widerfuhr.« Vordarian stand wie zu Eis erstarrt da: Es bereitete ihr ein gewisses boshaftes Vergnügen, endlich einen Barrayaraner so sehr verblüfft zu haben, wie die Barrayaraner manchmal sie verblüfften. Nun, wenn sie nur herausbringen könnte, welcher Teil ihrer Aussage ihn aus der Fassung gebracht hatte … Sie fuhr ernsthaft fort: »Je mehr ich auf Vorrutyer zurückschaue, desto mehr erscheint er mir als tragische Figur. Immer noch besessen von einer Liebesaffäre, die schon seit achtzehn Jahren vorbei war. Aber ich frage mich manchmal, ob er das, was er damals wollte, hätte haben können – Aral behalten –, wenn Aral die sadistische Veranlagung, die am Ende Vorrutyers geistige Gesundheit zerstörte, hätte unter Kontrolle halten können. Es ist, als hätten die beiden sich auf einer unheimlichen Schaukel befunden, wo das Überleben des einen immer die Zerstörung des anderen zur Folge hatte.«
»Eine Betanerin.« Sein Gesichtsausdruck der Verblüffung
wich allmählich einem anderen, den Cordelia im stillen
›furchtbare Erkenntnis‹ nannte. »Ich hätte darauf kommen
sollen. Ihr seid, immerhin, die Leute, die mit Biotechnik
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Hermaphroditen hervorgebracht haben …« Er machte eine
Pause. »Wie lange kannten Sie Vorrutyer?«
»Ungefähr zwanzig Minuten. Aber das waren sehr intensive zwanzig Minuten.« Sie beschloss, ihn raten zu lassen, was, zum Teufel, das bedeutete.
»Ihre … hm … Affäre, wie Sie es nennen, war seinerzeit ein großer geheimer Skandal.«
Sie rümpfte die Nase. »Großer geheimer Skandal? Ist das
nicht ein Oxymoron? Wie, sagen wir mal, »militärische
Intelligent?« Vordarians Gesicht zeigte den seltsamsten
Ausdruck. Er sah aus, fand sie, genau wie ein Mann, der eine Bombe geworfen hatte, die nur ›fffft‹ machte statt ›BUMM!‹, und der nun zu entscheiden versuchte, ob er seine Hand hineinstecken und auf den Zündmechanismus klopfen sollte, um ihn zu testen.
Dann war sie an der Reihe mit der furchtbaren Erkenntnis.
Dieser Mann hat gerade versucht, meine Ehe zu zerstören.
Nein – Arals Ehe. Sie setzte ein strahlendes, sonniges, unschuldiges Lächeln auf, und ihr Gehirn schaltete – endlich!
in den Schnellgang. Vordarian konnte keiner von Vorrutyers alter Kriegspartei sein; ihre Führer hatten alle ihre tödlichen Unfälle erlitten, bevor Ezar sich verabschiedet hatte, und der Rest war zerstreut und hielt sich versteckt. Was wollte er eigentlich? Sie fingerte an einer Blume in ihrem Haar herum und sagte einfältig lächelnd:
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