Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
erblickt hatte, doch Cordelia konnte nicht verstehen, warum.
Piotr schien überhaupt nichts zu tun, aber sein Pferd stellte sich ganz von selbst startbereit für den Weg auf – Telepathie, entschied Cordelia verwirrt. Die haben hierzu Telepathen mutiert und mir nie etwas davon erzählt… oder vielleicht war das Pferd telepathisch veranlagt?
»Los, Frau, du bist die Nächste.«
Verzweifelt steckte Cordelia ihren Fuß in dieses Dings von Fußhalter, Steigbügel, fasste irgendwo an und stemmte sich hoch. Der Sattel glitt langsam um den Bauch des Pferdes herum, und Cordelia mit ihm, bis sie unten zwischen einem Wald von Pferdebeinen hing. Sie fiel mit einem Plumps auf den Boden und krabbelte zur Seite. Das Pferd drehte seinen Hals herum und schaute sie an, weitaus weniger erschrocken als sie selber, dann richtete es seine gummi weichen Lippen auf 574
den Boden und begann Gras zu fressen. »0 Gott«, stöhnte Piotr aufgebracht.
Esterhazy stieg wieder ab und eilte an ihre Seite, um ihr
aufzuhelfen. »Mylady, sind Sie in Ordnung? Tut mir Leid, das war mein Fehler, hätte noch mal überprüfen sollen… hm…
Sind Sie noch nie geritten?«
»Noch nie«, gestand Cordelia Er zog hastig den Sattel
herunter, legte ihn wieder richtig auf und befestigte ihn straffer.
»Vielleicht kann ich laufen. Oder rennen.« Oder meine
Pulsadern aufschneiden. Aral, warum hast du mich mit diesen Verrückten weggeschickt?
»Es ist nicht so schwer, Mylady«, versprach ihr Esterhazy.
»Ihr Pferd wird den anderen folgen. Rose ist die sanfteste Stute in unseren Ställen. Hat sie nicht ein liebes Gesicht?«
Feindselige braune Augen mit Purpur in der Mitte
ignorierten Cordelia. »Ich kann nicht.« Ihr Atem ging in ein Schluchzen über, das erste an diesem heillosen Tag.
Piotr blickte zuerst zum Himmel empor, dann zurück über
seine Schulter. »Nutzloses betanisches Püppchen«, knurrte er sie an. »Sag mir nicht, dass du noch nie mit gespreizten Beinen geritten bist.« Er bleckte die Zähne. »Stell dir einfach vor, das sei mein Sohn.«
»Hier, geben Sie mir Ihr Knie«, sagte Esterhazy nach einem ängstlichen Blick auf den Grafen und legte seine Hände gewölbt ineinander.
Nimm doch das ganze verdammt Bein! Sie zitterte vor Wut und Angst. Sie warf Piotr einen wütenden Blick zu und griff wieder nach dem Sattel. Irgendwie gelang es Esterhazy, sie hinaufzuschieben. Sie klammerte sich verbissen fest und beschloss nach einem kurzen Blick, nicht nach unten zu schauen. Esterhazy warf ihre Zügel Piotr zu, der sie mit einer leichten Bewegung des Handgelenks auffing und ihr Pferd ins Schlepptau nahm. Der Pfad wurde zu einem Kaleidoskop aus 575
Bäumen, Felsen, schmatzenden Schlammpfützen, peitschenden
Zweigen – all dies wirbelte vorüber. Ihr Bauch begann zu
schmerzen, ihre frische Narbe meldete sich mit Stechen. Wenn das wieder drinnen zu bluten anfängt… Sie ritten weiter und weiter und immer weiter.
Schließlich fielen sie aus dem leichten Galopp in den Schritt.
Cordelia blinzelte, mit rotem Gesicht, keuchend und
schwindelig. Sie waren irgendwie zu einer Lichtung
hinaufgestiegen, von der aus man den See überblicken konnte, nachdem sie um die breite, seichte Bucht herumgeritten waren, die auf der linken Seite des Vorkosigan-Gutes lag. Als ihr Blick wieder klar wurde, konnte sie in dem allgemeinen rotbraunen Hintergrund den kleinen grünen Flecken erkennen, den der rasenbewachsene Abhang vor dem alten Steinhaus bildete. Jenseits des Wassers lag das winzige Dorf.
Bothari war schon vor ihnen da und wartete auf sie, ohne
gesehen zu werden, niedergekauert im Gebüsch, während sein schnaufendes Pferd an einen Baum gebunden war. Er stand schweigend auf, näherte sich ihnen und blickte dann besorgt auf Cordelia. Halb fiel, halb glitt sie hinab in seine Arme.
»Sie reiten zu schnell für sie, Mylord. Sie ist noch krank.«
Piotr schnaubte: »Sie wird noch viel kränker sein, wenn
Vordarians Kommandos uns einholen.«
»Ich schaffs schon«, keuchte Cordelia zusammengekrümmt.
»In einer Minute. Gebt mir – bloß – eine Minute.« Der Wind, der kälter wurde, da die Herbstsonne nach Westen sank, fuhr über ihre heiße Haut hinweg. Der Himmel hatte eine einheitliche schattenlose Milchfarbe angenommen. Nach und nach konnte sich Cordelia wieder aufrichten, während der Schmerz im Unterleib nachließ. Esterhazy erreichte die
Lichtung, als Nachhut bewegte er sich in einem weniger
hektischen Schritt.
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Bothari nickte in Richtung
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