Vorkosigan 02 03 Cordelia's Ehre
der Anteil von Knochen und Muskeln an seinem Gewicht war geringer, dafür hatte er mehr Fett. Er hatte ebenfalls dunkles Haar, allerdings lockiger als das von Vorkosigan und mit weniger grauen Strähnen, war ungefähr im gleichen Alter und sah eher besser aus. Seine Augen waren ganz anders, ein tiefes, samtiges Braun umrahmt von langen schwarzen Wimpern, bei weitem die schönsten Augen, die sie je im Gesicht eines Mannes gesehen hatte. Diese Augen weckten tief in ihrem Gemüt eine leise, unterschwellige Stimme, die klagte: Du hast gedacht, du wärest heute schon einmal der Angst ausgesetzt gewesen, aber das war eine Täuschung; jetzt kommt die wahre Angst, Angst ohne Trost und Hoffnung. Das war seltsam, denn diese Augen hätten sie eigentlich anziehen sollen. Sie brach den Augenkontakt ab und 149
sagte sich ruhig, an dem Unbehagen und der sofortigen
Abneigung seien nur ihre Nerven schuld.
»Identifizieren Sie sich, Betanerin«, knurrte er. Sie hatte eine wirre Empfindung von dejavu.
Sie rang um ihr inneres Gleichgewicht, salutierte schneidig und sagte forsch: »Captain Cordelia Naismith, Betanische Expeditionsstreitkräfte. Wir sind eine militärische Einheit.
Kombattanten.« Natürlich konnte er nicht wissen, warum das für sie witzig war.
»Ha. Zieht sie aus und dreht sie herum!«
Er trat zurück und schaute zu. Die beiden Wachsoldaten
grinsten und gehorchten. Mir gefällt nicht, wie das hier
losgeht… Sie zwang sich, kühl und unbeteiligt auszusehen,
indem sie sich an alle ihren inneren Quellen von Heiterkeit hielt. Ruhig. Ruhig. Der will dich hier nur aus der Fassung bringen. Du kannst es in seinen Augen lesen, in seinen hungrigen Augen. Ruhig.
»Ein bisschen alt, aber noch passabel. Ich werde später nach ihr schicken.«
Einer der Soldaten schob ihr wieder den Pyjama zu. Sie zog sich langsam und mit genau kontrollierten Bewegungen an, wie bei einem umgekehrten Striptease, um sie zu ärgern. Der eine Soldat knurrte, der andere stieß sie grob in den Rücken, um sie in ihre Zelle zu dirigieren. Sie lächelte säuerlich über ihren Erfolg und dachte: Nun gut, wenigstens habe ich mein Schicksal so weit in der Hand. Soll ich mir Punkte geben, wenn ich sie dazu provozieren kann, mich zusammenzuschlagen?
Sie packten sie in einen nackten, metallenen Raum und
ließen sie allein. Sie machte mit ihrer Masche weiter, zu ihrem eigenen schwachen Vergnügen, indem sie sich mit der gleichen Art von zeremoniellen Bewegungen graziös auf den Boden kniete, die rechte Zehe korrekt über die linke gekreuzt, die Hände reglos auf den Oberschenkeln ruhend. Die Berührung
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erinnerte sie an die Stelle an ihrem linken Bein, die bar aller Empfindung war ohne Gespür für Hitze, Kälte, Schmerz oder Druck – ein Überbleibsel ihrer letzten Begegnung mit der Armee von Barrayar. Sie schloss die Augen halb und ließ ihre Gedanken dahintreiben; dabei hoffte sie, bei ihren Bewachern einen beunruhigenden Eindruck tiefer und möglicherweise gefährlicher parapsychischer Meditation zu erwecken.
Aggressionen vorzutäuschen war besser als Nichtstun.
Nach etwa einer Stunde reglosen Sitzens, als ihre Muskeln
schon schmerzhaft protestierten, da sie diese knieende Stellung nicht gewohnt waren, kehrte der Wächter zurück.
»Der Admiral will, dass Sie kommen«, sagte er lakonisch.
»Los!«
Wieder hatte sie bei dem Gang durch das Schiff an jeder
Seite einen Bewacher neben sich. Der eine grinste und zog sie schon mit seinen Blicken aus. Der andere schaute sie eher mitleidig an, und das war weitaus beunruhigender. Sie begann sich zu fragen, wie sehr ihre Zeit mit Vorkosigan sie dazu verleitet hatte, die Risiken ihrer Gefangennahme gering zu schätzen. Sie kamen in den Offiziersbereich und hielten vor einer ovalen Tür in einer Reihe gleich aussehender Türen. Der grinsende Wächter klopfte, es folgte die Aufforderung zum Eintreten.
Dieses Admiralsquartier war ganz anders als die nüchterne
Kabine an Bord der General Vorkraß. Zum einen waren die Schotts zu den beiden anschließenden Räumen herausgenommen worden, sodass die Kabine die dreifache Größe hatte. Sie war voll von persönlichen
Einrichtungsgegenständen der luxuriösesten Art. Als sie
eintrat, erhob sich Admiral Vorrutyer von einem mit Samt
bezogenen Sessel, aber sie missverstand dies nicht als eine Geste der Höflichkeit.
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Er ging langsam um sie herum, während sie schweigend
dastand, und er beobachtete, wie ihr Blick im Raum
umherwanderte. »Etwas Besseres
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