Vorkosigan 09 Waffenbrüder
handelte.
Er wünschte sich, es wäre eine Mikrowellenpistole gewesen …
Die Verkäuferin, die endlich von ihren Fesseln befreit war, zeigte auf ihn und schrie und kreischte. Für jemanden, den er gerade vor einem schrecklichen Tod bewahrt hatte, klang sie nicht sehr dankbar. Das Holovid wurde einen Augenblick lang auf sie geschwenkt, bis sie vom Ambulanzpersonal weggeführt wurde.
Miles hoffte, man würde ihr ein Beruhigungsmittel geben. Er stellte sich vor, wie sie am Abend nach Hause kam, zu Ehemann und Kindern – »Und wie war es heute im Laden, Liebling …?« Er überlegte, ob sie wohl Schweigegeld annehmen würde, und wenn ja, wieviel das sein würde.
Geld, o Gott …
»Miles!« Elli Quinns Stimme schreckte ihn auf. »Hast du alles unter Kontrolle?«
Auf der Fahrt mit der U-Bahn zum Shuttlehafen von London zogen sie die Blicke der Leute auf sich. Miles fiel ein Spiegelbild seiner selbst auf einer verspiegelten Wand ins Auge, während Elli die Chipkarten auflud. Er war nicht überrascht. Der gepflegte Lord Vorkosigan, der ihm zuletzt vor dem Empfang in der Botschaft aus einem Spiegel entgegengeblickt hatte, war wie ein Werwolf in ein höchst entartetes kleines Monster verwandelt worden. Seine angesengte, nasse, verdreckte Uniform war übersät mit kleinen 65
flaumigen Flocken trocknenden Schaums. Die weiße Tasche an
der Vorderseite seiner Jacke war schmutzig. Sein Gesicht war verschmiert, seine Stimme brachte nur ein Krächzen zustande, die Reizung durch den Rauch hatte seine Augen gerötet. Er roch nach Rauch, Schweiß und Alkohol, besonders nach Alkohol. Schließlich hatte er sich im Alkohol gewälzt. Die Leute, die neben ihm in der Schlange standen, schnappten den Geruch auf und rückten von ihm ab. Die Konstabler hatten ihn, Gott sei Dank, von Messer und Pistole befreit, die als Beweismittel beschlagnahmt wurden.
Trotzdem hatten er und Elli ihre Hälfte des Bubblecars ganz für sich allein.
Miles sank mit einem Stöhnen auf seinen Sitz. »Du bist mir eine Leibwächterin«, sagte er zu Elli. »Warum hast du mich nicht vor dieser Interviewerin bewahrt?«
»Sie hat nicht versucht, dich zu erschießen. Außerdem war ich gerade erst angekommen. Ich konnte ihr nicht sagen, was vorgefallen war.«
»Aber du bist viel photogener. Eine Aufnahme von dir hätte das Image der Dendarii-Flotte verbessert.«
»Bei einem Holovid bekomme ich keinen Ton heraus. Aber du
hast ruhig genug geklungen.«
»Ich habe versucht, alles herunterzuspielen. ›Jungen bleiben eben Jungen‹, kichert Admiral Naismith, während im Hintergrund seine Truppen London niederbrennen …«
Elli grinste. »Außerdem war man nicht an mir interessiert. Ich war nicht der Held, der sich in ein brennendes Gebäude gestürzt hatte – beim Himmel, als du herausgerollt kamst, ganz in Feuer gehüllt …«
»Du hast das gesehen?« Miles fühlte sich irgendwie aufgemuntert. »Hat das in der Totale gut ausgesehen? Vielleicht entschädigt das in den Augen unserer Gastgeber für Danio und seine Kumpane.«
»Es sah wirklich schrecklich aus.« Sie schauderte anerkennend.
»Ich bin überrascht, daß du nicht schlimm verbrannt bist.«
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Miles zuckte mit den versengten Augenbrauen und steckte die mit Brandblasen bedeckte linke Hand unauffällig unter den rechten Arm. »Das war nichts. Schutzkleidung. Ich bin froh, daß nicht unsere ganze Ausrüstung fehlerhaft ist.«
»Ich weiß es nicht. Um die Wahrheit zu sagen, fürchte ich das Feuer etwas, seit …« Sie berührte ihr Gesicht.
»Und das solltest du auch. Meine Nervenreflexe haben alles
erledigt. Als mein Gehirn endlich meinen Körper eingeholt hatte, war schon alles vorbei und ich bekam das Bibbern. Ich habe im Kampf schon einige Feuer erlebt. Das einzige, woran ich denken konnte, war Schnelligkeit, denn wenn ein Feuer einen bestimmten Punkt erreicht hat, dann breitet es sich schnell aus.«
Miles verkniff es sich, seine weiteren Sorgen wegen der Sicherheitsaspekte dieses verdammten Interviews zu offenbaren.
Jetzt war es zu spät, obwohl er in seiner Phantasie mit dem Gedanken eines geheimen Überfalls der Dendarii auf Euronews Network (zum Zweck der Zerstörung der Vid-Diskette) spielte.
Vielleicht würde Krieg ausbrechen oder ein Shuttle abstürzen oder die Regierung würde in einen größeren Sexskandal geraten, und der ganze Vorfall in der Weinhandlung würde angesichts der Flut neuer Nachrichten beiseite geschoben werden. Außerdem wußten die Cetagandaner gewiß schon, daß
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