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Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit

Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit

Titel: Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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den Kopf. »Fallow Core wurde nicht gestürmt mein Junge.«
    »Aber es fiel am 6. Oktober, so wurde berichtet, und …«
    »Es fiel am 5. Oktober. Fallow Core wurde verraten.« Oliver drehte sich um und ging fort, bevor sein erstarrtes Gesicht eine Emotion verraten konnte.
    Miles kniete im Dreck und atmete langsam aus.
    So war es also. Und so.
    War das dann das Ende seiner Suche?
    Er wollte hin und her gehen und nachdenken, aber das Gehen schmerzte noch zu sehr. Er humpelte ein bißchen zur Seite, wobei er acht gab, daß er nicht aus Versehen in das Territorium irgendeiner größeren Gruppe eindrang, und setzte sich hin, dann legte er sich mit den Händen hinter dem Kopf auf den Boden und starrte auf das perlenfarbene Leuchten der Kuppel, die wie eine Käseglocke den Raum über ihnen abschloß.
    Er erwog seine Optionen: eins, zwei, drei. Er überlegte sie sorgfältig. Das dauerte nicht lange.
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    Ich dachte, du glaubtest nicht mehr an die Einteilung in die Guten und die Bösen? Er hatte gedacht, er hätte seine Gefühle abgetötet, als er hier hereinkam, zu seinem eigenen Schutz, aber er spürte, wie seine sorgfältig kultivierte Unparteilichkeit davonglitt.
    Er begann diese Kuppel auf eine echt intime und persönliche Art zu hassen. Sie war ästhetisch elegant, vereinte Form und Funktion so perfekt wie eine Eierschale, ein Wunder der Physik – pervertiert zu einem Instrument der Folter.
    Einer subtilen Folter … Miles überdachte die Regeln der Interstellaren Schiedskommission für die Behandlung von Kriegsgefangenen, die auch Cetaganda unterzeichnet hatte. Soundso viele Quadratmeter Platz pro Person, ja, die gab es hier bestimmt. Kein Gefangener sollte länger als vierundzwanzig Stunden allein eingesperrt sein – richtig, hier gab es keine Einsamkeit, außer, man zog sich in den Wahnsinn zurück. Dunkelheit durfte nicht länger als vierundzwanzig Stunden dauern, das war einfach, denn hier gab es überhaupt keine Dunkelheit, statt dessen immerzu die Helligkeit des Mittags. Keine Prügel – gewiß, die Wachen konnten wahrheitsgemäß behaupten, daß sie nie Hand an ihre Gefangenen legten. Sie schauten einfach zu, wie sich die Gefangenen statt dessen selber gegenseitig verprügelten. Vergewaltigungen, die sogar noch strenger verboten waren, wurden zweifellos auf die gleiche Weise behandelt.
    Miles hatte gesehen, was sie mit der Ausgabe von zwei
    ISK-Standardrationsriegeln pro Tag anrichten konnten. Der Tumult um die Rattenriegel war eine besonders hübsche Sache, dachte er. Keiner konnte sich einer Teilnahme entziehen (er rieb sich den knurrenden Magen). Der Feind hätte den anfänglichen Zusammenbruch anstiften können, indem er nur einen kleinen Stapel schickte. Aber vielleicht auch nicht – der erste, der zwei Riegel schnappte statt einen, brachte einen anderen Gefangenen um sein Essen. Vielleicht nahm der, der leer ausgegangen war, nächstes Mal drei, zum Ausgleich, und so lief es schnell nach dem Schneeballsystem. So konnte jede Hoffnung auf Ordnung zerbrochen sowie Gruppe gegen Gruppe und Person gegen Person in 256
    einem Handgemenge aufgehetzt werden, und alle wurden zweimal am Tag an ihre Machtlosigkeit und Erniedrigung erinnert. Niemand konnte es sich leisten, sich lange davon fernzuhalten, wenn er nicht langsam verhungern wollte.
    Keine Zwangsarbeit – ha, halt. Das würde ja die Einführung einer Ordnung erfordern. Zugang zu medizinischem Personal – richtig, die eigenen Sanitäter der verschiedenen Einheiten mußten irgendwo dort draußen unter die anderen gemischt sein. Er wiederholte noch mal aus seinem Gedächtnis die Formulierung dieses Paragraphen – bei Gott, sie lautete ›Personal‹, nicht wahr? Keine Medizin, nur medizinisches Personal. Nackte Ärzte und Sanitäter mit leeren Händen. Er verzog seine Lippen zu einem freudlosen Grinsen. Genaue Listen der Gefangenen war pflichtgemäß abgeschickt worden, wie es verlangt war. Aber sonst gab es keine Kommunikation …
    Kommunikation. Das Fehlen von Nachrichten aus der äußeren
    Welt könnte sogar ihn binnen kurzem zum Wahnsinn treiben. Das war so schlimm wie das Beten, wenn man zu einem Gott sprach, der nie antwortete. Kein Wunder, daß alle hier an.einer Art solipsistischer Schizophrenie litten. Ihre Zweifel steckten ihn an.
    Gab es dort draußen noch jemanden? Wurde seine Stimme gehört und verstanden?
    Ach, blinder Glaube. Der Sprung des Glaubens ins Ungewisse.
    Er ballte die rechte Hand zur Faust, als zerdrückte er eine Eierschale.

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