Vorkosigan 10 Grenzen der Unendlichkeit
das ein für allemal aus seinem System ausscheiden …
Verdammt, ich glaube, sie würde auf ihre Kosten kommen. Sie war nicht ohne einen gewissen … Charme war nicht das Wort –
eine gewisse Art von Schönheit, die man im Starken, Schnellen, im Athletischen und in der funktionierenden Form finden konnte.
Wenn man sich einmal an den Maßstab gewöhnte. Sie strahlte eine weiche Hitze aus, die er von seinem Platz aus spürte – animalischer Magnetismus? schlug der unterdrückte Beobachter in seinem Hinterkopf vor. Kraft? Power? Was immer sonst es war, es wäre sicher erstaunlich.
Einer der bevorzugten Aphorismen seiner Mutter schoß ihm
durch den Kopf. Alles, was wert ist, getan zu werden, sagte sie immer, ist es wert, gut getan zu werden.
Verwirrt wie ein Betrunkener, ließ er die Krücken der Logik zugunsten der Schwingen der Inspiration fallen. »Nun denn, Doktor«, hörte er sich selbst murmeln, »wagen wir uns an das Experiment.«
Eine Frau zu küssen, die Reißzähne hatte, war wirklich eine ungewöhnliche Erfahrung. Daß diese Küsse erwidert wurden – sie lernte offensichtlich schnell –, war noch ungewöhnlicher. Ihre Arme umschlangen ihn ekstatisch, und von da an verlor er irgendwie die Kontrolle über die Situation. Als er allerdings später keuchend wieder etwas Luft bekam, schaute er sie an und fragte:
»Neun, hast du je von der Schwarzen Witwe gehört?«
»Nein … was ist das?«
»Ach, mach dir keine Gedanken«, sagte er leichthin.
Es lief alles recht unbeholfen und linkisch, aber aufrichtig, und als sie es hinter sich hatten, standen in ihren Augen Tränen der 184
Freude, nicht des Schmerzes. Sie schien enorm Gefallen an ihm gefunden zu haben. Er war so entspannt, daß er tatsächlich für ein paar Minuten einschlief, mit ihrem Leib als Kissen.
Als er aufwachte, lachte er.
»Du hast wirklich die elegantesten Backenknochen«, sagte er zu ihr und fuhr mit einem Finger der Linie ihrer Wangen nach. Sie neigte sich seiner Bewegung entgegen und kuschelte sich an ihn und gleicherweise an das Heizungsrohr. »Auf meinem Schiff gibt es eine Frau, die ihr Haar in einer Art Zopf geflochten auf dem Rücken trägt – das würde bei dir einfach großartig aussehen.
Vielleicht könnte sie dir zeigen, wie man das macht.«
Sie zog eine Strähne ihrer Haare nach vorne und betrachtete sie schielend, als wollte sie durch die zerzausten und schmutzigen Haare hindurchschauen. Dann berührte sie ihn ihrerseits. »Du siehst sehr gut aus, Admiral.«
»Was? Ich?« Er fuhr sich mit der Hand über seinen Stoppelbart, seine scharfen Gesichtszüge, seine alten Schmerzensfalten … Sie muß wohl von meinem vorgeblichen Rang geblendet sein, was?
»Dein Gesicht ist sehr … lebendig. Und deine Augen sehen,
worauf sie schauen.«
»Neun …« Er räusperte sich, machte eine kleine Pause. »Verdammt, das ist kein Name, das ist eine Nummer. Was ist mit Zehn passiert?«
»Er ist gestorben.« Vielleicht werde ich auch bald sterben, fügten ihre Augen stumm hinzu, bevor sie die Lider zufallen ließ.
»Hat man dich immer nur Neun genannt?«
»Meine eigentliche Bezeichnung ist ein langer Biocomputer-Code.«
»Na ja, eine Personalnummer haben wir alle«, Miles fiel ein, daß er sogar zwei hatte, »aber dich nur mit einer Zahl zu benennen ist doch absurd. Ich kann dich nicht Neun nennen. Das klingt ja nach einem Roboter. Du brauchst einen richtigen Namen, einen Namen, der zu dir paßt.« Er lehnte sich an ihre warme nackte Schulter – sie war wie ein Schmelzofen; was die anderen über ihren Stoffwech185
sel gesagt hatten, stimmte – und verzog die Lippen zu einem Grinsen. »Taura.«
»Taura?« Ihr breiter Mund gab diesem Namen einen schwungvollen Beiklang, »… das ist zu schön für mich.«
»Taura«, wiederholte er mit Nachdruck. »Schön, aber stark.
Voller geheimer Bedeutungen. Perfekt. Ach, da wir von Geheimnissen sprechen …« War jetzt der Zeitpunkt gekommen, ihr davon zu erzählen, was Dr. Canaba in ihre linke Wade eingepflanzt hatte?
Oder wäre sie verletzt, wie eine Frau, der man nur um ihres Geldes willen heuchlerisch den Hof gemacht hatte? Oder wie ein Mann, der nur wegen seines Titels umworben wurde? Miles wurde unsicher. »Ich glaube, jetzt, wo wir uns besser kennen, ist es Zeit für uns, von hier abzuhauen.«
Sie blickte um sich, in die grimmige Düsternis. »Und wie?«
»Nun, das müssen wir halt herausfinden, oder? Ich bekenne, daß ich da immer gleich an Rohrleitungen denke.« Natürlich
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