Vorkosigan 11 Spiegeltanz
aus«, sagte Rowan. Sie deutete mit einem Nicken in Richtung Bad. »Sie sollten sich einmal im Spiegel anschauen.«
»Ich hatte unrecht«, gab Miles zu und dirigierte das Mädchen ins Bad. Keine Zeit zu planen, keine Möglichkeit, Befehle zu geben.
Er mußte sich völlig auf Rowans … Initiative verlassen. »Tatsächlich, Rowans Kleider stehen Ihnen sehr gut. Stellen Sie sich als eine Durona-Ärztin vor. Dort sind alle Doktoren, wußten Sie das? Auch Sie könnten Ärztin werden …« Aus den Augenwinkeln sah er, wie Rowan die Bänder aus dem Haar nahm, es ausschüttelte und nach den Seidengewändern griff. Er ließ die Tür zum Bad hinter sich und Lilly ins Schloß fallen und führte sie zum Spiegel.
Er drehte das Wasser an, damit es übertönte, wie Rowan an der Außentür klopfte, wie die Wache öffnete und wie sie sich dann, Haare vor dem Gesicht, zurückzog …
Lilly schaute in den großen Spiegel. Sie blickte auf Miles, der im Spiegel neben ihr stand und mit den Händen winkte, als mache er sie mit ihr selbst bekannt. Sein Scheitel reichte gerade bis zu ihrer Schulter. Er nahm einen Becher und trank einen Schluck Wasser, um seine Kehle für die folgenden Aktionen zu befeuchten. Wie lange konnte er das Mädchen hier drinnen ablenken? Er glaubte nicht, daß er ihr erfolgreich eins auf den Schädel geben konnte, und er war sich nicht ganz sicher, welcher der Gegenstände in Rowans Arzttasche das angedrohte Sedativ war.
Zu seiner Überraschung redete sie zuerst. »Sie sind der, der mich holen kam, nicht wahr? Uns Klons alle.«
»Ach …« Der katastrophale Dendarii-Überfall auf Bharaputra?
War sie eine der Geretteten gewesen? Warum war sie dann wieder hier? »Entschuldigen Sie mich. Ich bin kürzlich tot gewesen, und mein Gehirn arbeitet noch nicht sehr gut. Kryoamnesie. Ich kann 595
es gewesen sein, aber vielleicht sind Sie meinem Klonzwilling begegnet.«
»Sie haben auch Klongeschwister?«
»Zumindest einen. Meinen … Bruder.«
»Sie waren wirklich tot?« Es klang etwas ungläubig.
Er zog sein graues Strickhemd hoch und zeigte seine Narben.
»Oh«, sagte sie beeindruckt. »Vermutlich waren Sie tot.«
»Rowan hat mich wieder zusammengeflickt. Sie ist sehr gut.«
Nein, lenk ihre Aufmerksamkeit nicht auf Rowan! »Sie könnten genausogut sein, jede Wette, wenn Sie es versuchten. Falls Sie ausgebildet wären.«
»Wie war das? Als Sie toten waren?« Ihre Augen waren plötzlich eindringlich auf sein Gesicht gerichtet.
Er zog das Hemd wieder gerade. »Öde. Echt langweilig. Völlige Leere. Ich erinnere mich an nichts. Ich erinnere mich nicht daran, wie ich gestorben bin …« Er hielt den Atem an … Die Mündung der Projektilwaffe, leuchtende Flammen … sein Brustkorb barst, schreckliche Schmerzen … Er atmete ein und lehnte sich gegen die Wand. Seine Knie waren plötzlich weich. »Einsam. Es würde Ihnen nicht gefallen. Das garantiere ich Ihnen.« Er nahm ihre warme Hand. »Am Leben zu sein ist viel besser. Am Leben zu sein ist … ist …« Er brauchte etwas, um darauf zu stehen. Statt dessen kletterte er auf die Ablage und kauerte sich dort hin, endlich Auge in Auge mit ihr. Er flocht ihre Haare in seine Hand, legte den Kopf schräg und küßte sie. Es war nur ein kurzes Zusammenpressen der Lippen. »Du merkst, daß du lebst, wenn jemand deine Berührung erwidert.«
Sie wich zurück, schockiert und interessiert zugleich. »Du küßt anders als der Baron.«
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Sein Gehirn schien Schluckauf zu bekommen. »Der Baron hat dich geküßt?«
»Ja …«
Probierte er schon früh den neuen Körper seiner Gattin aus? Wie bald sollte diese Transplantation stattfinden? »Hast du immer mit deiner Herrin zusammengelebt?«
»Nein. Ich wurde hierhergebracht, nachdem das Klon-Internat zerstört war. Die Reparaturen sind fast fertig. Ich werde bald wieder umziehen.«
»Aber … nicht für lange.«
»Nein.«
Die Versuchung für den Baron mußte … interessant sein.
Schließlich würde ihr Hirn bald zerstört werden und dann nicht mehr in der Lage sein, ihn zu beschuldigen. Vasa Luigi konnte mit ihr alles tun, außer ihre Jungfräulichkeit zu verletzen. Wie wirkte das auf ihre offensichtliche mentale Konditionierung, auf ihre Ergebenheit gegenüber ihrem Schicksal? Etwas, offensichtlich, sonst wäre sie nicht hier.
Sie blickte auf die geschlossene Tür und schöpfte plötzlich Verdacht. Sie riß ihre Hand aus seinem Griff und eilte zurück in das leere Schlafzimmer. »O nein!«
»Pst! Pst!« Er rannte
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