Vorkosigan 11 Spiegeltanz
hinter ihr her, packte wieder ihre Hand und sprang auf das Bett, damit sie ihr Gesicht dem seinen zukehrte und er wieder Augenkontakt gewann. »Schrei nicht!«, zischte er.
»Wenn du hinausrennst und es den Wachen sagst, dann bekommst du schreckliche Schwierigkeiten, aber wenn du einfach wartest, bis sie zurückkommt, dann wird niemand etwas erfahren.« Er kam sich recht schofel vor, daß er so mit ihrer offensichtlichen Panik spielte, aber es mußte sein. »Sei ruhig, und niemand wird je etwas erfahren.« Er hatte keine Ahnung, ob Rowan überhaupt vorhatte 597
zurückzukommen. Vielleicht hatte sie jetzt nur ihm entkommen wollen. Keiner seiner Pläne hatte einen solchen glücklichen Zufall vorgesehen.
Lilly die Jüngere konnte ihn leicht körperlich überwinden, doch er war sich nicht sicher, ob sie es erkannte. Ein Schlag auf seine Brust würde ihn zu Boden werfen. Sie brauchte gar nicht einmal sehr hart zuzuschlagen.
»Setz dich«, sagte er. »Hier, neben mich. Fürchte dich nicht.
Tatsächlich kann ich mir gar nicht vorstellen, wovor du Angst haben solltest, wenn dein Schicksal dich ruhig läßt. Du mußt ein mutiges Mädchen sein. Eine mutige Frau. Setz dich …«, er zog sie zu sich herab, sie schaute sehr unsicher von ihm zur Tür, doch schließlich willigte sie ein, sich niederzulassen, einstweilen. Ihre Muskeln waren straff gespannt. »Erzähl mir von dir. Erzähl mir von deinem Leben. Du bist eine sehr interessante Person, weißt du.«
»Ich?«
»Ich kann mich im Augenblick an nicht viel aus meinem Leben erinnern, deshalb frage ich. Für mich ist ein Horror, daß ich mich nicht erinnern kann. Das bringt mich noch um. Was ist deine früheste Erinnerung?«
»Du lieber Himmel … vermutlich … der Ort, an dem ich gelebt hatte, bevor ich ins Internat kam. Da war eine Frau, die sich um mich gekümmert hat. Ich habe … – das ist töricht – aber ich erinnere mich, sie hatte einige purpurrote Blumen, die waren so groß wie ich und wuchsen in einem kleinen viereckigen Garten, kaum einen Meter im Quadrat, und sie rochen wie Weintrauben.«
»So? Erzähl mir mehr über diese Blumen …«
Das würde kein langes Gespräch werden, fürchtete Miles. Und was dann? Daß Rowan noch nicht zurück gebracht worden war, 598
war ein gutes Zeichen. Daß sie vielleicht nicht zurückkommen würde, bedeutete ein beunruhigendes Dilemma für Lilly die Jüngere. Doch was konnten der Baron und die Baronin ihr schon antun? spotteten seine Gedanken. Sie umbringen ?
Sie sprachen über ihr Leben im Klon-Internat. Er entlockte ihr einen Bericht über den Dendarii-Überfall, von ihrem Standpunkt aus gesehen. Wie es ihr gelungen war, sich wieder dem Baron anzuschließen. Schlaues, schlaues Kind. Was für ein Durcheinander für Mark. Die Pausen wurden länger. Bald würde er selber reden müssen, einfach um die Dinge in Gang zu halten, und das war unglaublich gefährlich. Sie hatte allmählich keinen Gesprächsstoff mehr, und ihre Augen wandten sich immer öfter zur Tür.
»Rowan kommt nicht zurück«, sagte Lilly die Jüngere schließlich. »Oder?«
»Ich glaube nicht«, sagte er offen. »Ich glaube, sie ist glatt abgehauen«
»Wie kannst du das wissen?«
»Wenn man sie geschnappt hätte, dann wäre man gekommen,
dich zu holen, auch wenn man sie nicht hierher zurückbringen würde. Vom Standpunkt der Bharaputras aus gesehen ist Rowan noch hier drin. Doch du fehlst.«
»Du glaubst doch nicht, daß man sie irrtümlich für mich halten könnte, oder?«, keuchte sie erschrocken. »Und dann nehmen, damit sie mit meiner Herrin vereint wird?«
Er war nicht sicher, ob sie Angst um Rowan hatte, oder Angst, daß Rowan ihren Platz stehlen würde. Was für eine gräßliche, abscheuliche neue Paranoia. »Wie bald solltest du …? – Nein«, beruhigte er sie. Und sich. »Nein. Wenn man euch im Korridor sieht, dann seht ihr sicher einander sehr ähnlich, aber dafür müßte 599
jemand sie genauer anschauen. Sie ist Jahre älter als du. Es ist einfach nicht möglich.«
»Was soll ich tun?« Sie versuchte, auf die Beine zu kommen; er hielt sie am Arm und zog sie wieder neben sich aufs Bett.
»Nichts«, riet er. »Es ist alles in Ordnung. Sag ihnen – sag ihnen, ich habe dich gezwungen, hier drin zu bleiben.«
Sie schaute von der Seite auf seine kleine Gestalt herab. »Wie?«
»Tricks. Drohungen. Psychologischer Zwang«, sagte er wahrheitsgemäß. »Du kannst mir die Schuld geben.«
Sie schaute sehr unsicher drein.
Wie alt war
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