Vorkosigan 11 Spiegeltanz
geräumt hatte. Damit bildeten sie ein gleichseitiges Dreieck, er und Mark und Bel. Bel nickte und ließ sich nieder, den Helm in seinem Schoß und die Kapuze zurückgestreift. Miles dachte daran, wie er vor fünf Tagen, vor seiner Erinnerungskaskade, Bel in diesem Raum aus irgendeinem Grund für eine Frau gehalten hatte. Seltsam. Es entstand ein kurzes, unbehagliches Schweigen.
Miles schluckte und begann zu sprechen: »Ich kann dich nicht wieder als Kommandeur auf die Ariel zurücklassen«, sagte er.
»Ich weiß«, sagte Bei.
»Es wäre schlecht für die Flottendisziplin.«
»Ich weiß«, sagte Bei.
»Es ist … nicht gerecht. Wenn du unehrlich gewesen wärst und den Mund gehalten und vorgegeben hättest, du seist von Mark getäuscht worden, dann hätte es nie jemand erfahren.«
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»Ich weiß«, sagte Bei. Kurz darauf fügte er hinzu: »Ich mußte im Notfall mein Kommando wiederbekommen. Ich glaubte, ich
könnte Mark nicht weiter Befehle geben lassen. Es war zu gefährlich.«
»Für diejenigen, die dir folgten.«
»Ja. Und … ich hätte es gewußt«, fügte Bel hinzu.
»Kapitän Thorne«, seufzte Admiral Naismith. »Ich muß dich um deinen Abschied bitten.«
»Ich reiche ihn hiermit ein, Sir.«
»Danke.« Und damit war es erledigt. So schnell. Miles dachte an die verstreuten Bilder zurück, die er von Marks Überfall im Kopf hatte. Es fehlten immer noch Stücke, dessen war er sich sicher.
Aber es hatte Tote gegeben, zu viele Tote, und deshalb war es nicht wiedergutzumachen. »Weißt du … was mit Phillipi passiert ist?
Sie hätte eine Chance gehabt, dachte ich.«
Mark und Bel tauschten Blicke aus. Bel antwortete: »Sie hat es nicht geschafft.«
»Oh. Es tut mir leid, das zu hören.«
»Die Kryo-Wiederbelebung ist eine unsichere Sache«, seufzte Bei. »Wir alle nehmen diese Risiken auf uns, wenn wir uns verpflichten.«
Mark runzelte die Stirn. »Das erscheint mir nicht fair. Bel verliert seine Karriere, und ich komme frei davon.«
Bel starrte einen Augenblick lang auf Marks geprügelten, aufgedunsenen Körper, der in Lillys großem Sessel zusammengekauert hockte, und zog langsam die Augenbrauen hoch.
»Was für Pläne hast du, Bei?«, fragte Miles vorsichtig. »Gehst du nach Hause in die Kolonie Beta? Du hast davon geredet.«
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»Ich weiß es nicht«, sagte Bei. »Nicht, weil ich nicht darüber nachgedacht hätte. Seit Wochen denke ich darüber nach. Ich bin mir nicht sicher, ob ich daheim noch reinpassen würde.«
»Ich habe auch nachgedacht«, sagte Miles. »Ein kluger Gedanke.
Mir kam in den Sinn, daß gewisse Leute meiner Seite auf die Vorstellung, daß du dich mit dem Kopf voller barrayaranischer Geheimnisse im Wurmlochnexus herumtreibst, weniger paranoid reagieren würden, wenn du noch auf Illyans Gehaltsliste stündest.
Als Informant – vielleicht als Agent?«
»Ich habe nicht Elli Quinns Talente für Tricks«, sagte Bei. »Ich war Schiffsführer.«
»Schiffsführer kommen an interessante Orte. Sie sind in einer Position, wo sie alle Arten von Informationen aufsammeln können.«
Bel legte den Kopf schräg. »Ich werde … ernsthaft darüber nachdenken.«
»Ich nehme an, du möchtest nicht hier auf Jackson's Whole aussteigen.«
Bel lachte offen. »Auf keinen Fall.«
»Dann denk auf dem Weg nach Escobar darüber nach. Sprich mit Quinn. Entscheide dich, wenn du dort ankommst und laß sie es wissen.«
Bel nickte, erhob sich und schaute sich in Lilly Duronas ruhigem Wohnzimmer um. »Es tut mir nicht völlig leid, weißt du«, sagte der Hermaphrodit zu Mark. »So oder so haben wir fast neunzig Leute aus diesem stinkenden Schwerkraftloch herausgezogen.
Einem sicheren Tod oder jacksonischer Sklaverei entrissen. Kein schlechtes Ergebnis für einen alternden Betaner. Du kannst dich darauf verlassen, daß ich an sie denken werde, wenn ich mich an diese Sache erinnere.«
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»Danke«, flüsterte Mark.
Bel musterte Miles. »Erinnerst du dich daran, wie wir uns zum erstenmal gesehen haben?«, fragte er.
»Ja. Ich habe dich betäubt.«
»Ganz genau.« Der Hermaphrodit ging zu Miles' Stuhl, beugte sich vor und nahm Miles' Kinn in die Hand. »Halt still! Seit Jahren habe ich das tun wollen.« Der Hermaphrodit küßte Miles, lang und ganz gründlich. Miles dachte über äußere Erscheinungen nach, dachte daran, wie vieldeutig sie waren, dachte an einen plötzlichen Tod, dachte: »Hol's doch der Teufel« und erwiderte Bels Kuß. Bel richtete sich auf und lächelte.
Aus dem Liftrohr
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