Vorkosigan 12 Viren des Vergessens
Mit einem Schnauben gab er es auf und ging in die Küche, um dort die Überreste des vorangegangenen Abends einzusammeln und damit seine Kampagne fortzusetzen, Pep die Katze zu überzeugen, sie solle nicht das Futter mit rasiermesserscharfen Klingen schnappen und damit unter einen Stuhl fliehen und knurren, sondern sauber fressen und sich danach auf den Schoß setzen und dankbar schnurren, wie eine richtige Vor—Katze. Alles in allem hatte Pep viel an sich, was Miles an seinen Klonbruder Mark erinnerte, und er hatte schließlich mit Mark recht gehabt. Außerdem würde es nicht schaden, die Torwache über Tsipis’ Kurier ins Bild zu setzen.
Als Miles am Tor ankam, entdeckte er, daß der Wächter Besuch hatte, einen großen, blonden jungen Mann, dessen – wenn auch weiches – Gesicht bemerkenswert den schärferen Zügen von Korporal Kosti ähnelte. Er hatte eine große lackierte Schachtel bei sich.
»Guten Morgen, oder sollte ich sagen, guten Tag, Sir«, begrüßte ihn der Wächter mit einem angedeuteten militärischen Gruß, der fast eines HQ-Analytikers würdig war. Zu spät erkannte er, daß Miles keine Uniform trug. »Äh … darf ich Ihnen meinen jüngeren Bruder Martin vorstellen?« Sie sind doch gar nicht alt genug, um schon einen jüngeren Bruder zu haben. »Hallo.« Miles streckte die Hand aus.
Der blonde junge Mann schüttelte sie, ohne zu zögern. Allerdings weiteten sich seine Augen ein wenig, als er auf Miles hinabschaute. »Äh … hallo. Leutnant. Lord Vorkosigan.« Also hatte man anscheinend auch Kosti nicht unterrichtet. Vielleicht stand der Korporal in der Hierarchie einfach zu tief. Miles riß seinen Blick von den silbernen Horusaugen am steifen Kragen von Kosti dem Älteren los. Tja, komm doch endlich drüber hinweg. »Nix mehr mit Leutnant, fürchte ich. Ich bin gerade aus dem Dienst ausgeschieden. Entlassung aus medizinischen Gründen.« »Oh, tut mir leid, das zu hören, Si… Mylord.« Der Torwächter klang völlig aufrichtig. Doch er fragte nicht nach peinlichen Erklärungen. Niemand, der Miles anschaute, würde die Geschichte von der Entlassung aus medizinischen Gründen in Frage stellen.
Pep kam unter dem Stuhl des Wachhäuschens hervor und fauchte Miles leicht an; allmählich schien sie ihn zu erkennen.
»Dieses haarige Biest wird nicht freundlicher, oder?«, bemerkte Miles. »Nur dicker.« »Das überrascht mich nicht«, sagte Korporal Kosti. »Jedesmal bei Schichtwechsel versucht sie jeden, der den Dienst antritt, zu überzeugen, der letzte Mann habe sie hungern lassen.« Miles bot ihr etwas an; Pep ließ sich herab, es in der üblichen Weise entgegenzunehmen, dann zog sie sich zurück, um ihre Beute zu verschlingen. Miles saugte an dem Kratzer auf dem Rücken seines Daumens. »Offensichtlich trainiert sie als Wachkatze. Wenn wir ihr nur beibringen könnten, Freund und Feind zu unterscheiden.« Er stand wieder auf.
»Niemand will mich für bloß zwei Monate einstellen«, sagte Martin zu seinem Bruder, womit er offenbar ein Gespräch fortsetzte, das durch Miles’ Auftauchen unterbrochen worden war.
Miles zog die Augenbrauen hoch. »Suchen Sie Arbeit, Martin?« »Ich warte darauf, daß ich achtzehn werde und in den Armeedienst eintreten kann«, erwiderte Martin mannhaft. »Ich muß noch zwei Monate warten. Aber meine Mutter sagt, wenn ich für die Zwischenzeit keine Tätigkeit finde, dann wird sie mir eine suchen. Und ich fürchte, das hat dann etwas mit Saubermachen zu tun.« Dann warte mal, bis du deinem ersten Stabsfeldwebel begegnest, mein Junge. Da wirst du alles über Saubermachen lernen.
»Ich habe einmal auf der Insel Kyril Abflußrohre gereinigt«, erinnerte sich Miles. »Ich war sehr gut darin.« »Sie, Mylord?« Martin bekam runde Augen.
Miles schürzte die Lippen. »Es war aufregend. Ich fand eine Leiche.« »Oh.« Martin erstarrte. »Ein Fall für die Kaiserliche Sicherheit, nicht wahr?« »Nein … damals noch nicht.« »Sein erster Sergeant wird ihn schon zurechtbügeln«, meinte der Korporal zu Miles.
Er behandelt mich wie einen ehrenwerten Veteran. Er weiß nichts darüber. »O ja.« Die beiden Eingeweihten grinsten den zukünftigen Lehrling boshaft an. »Die Streitkräfte werden heutzutage immer wählerischer mit ihren Rekruten … Ich hoffe, Sie haben Ihre Schularbeiten nicht vernachlässigt.« »Nein, Mylord«, erwiderte Martin.
Wenn das stimmte, dann war er ein aussichtsreicher Kandidat.
Er hatte die Statur für eine zeremonielle Wache; sein Bruder hatte
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