Vorkosigan 13 Komarr
gestattete sich ein winziges ironisches Augenfunkeln. Ach ja. Bis er vor drei Jahren in den Rang eines Auditors erhoben worden war, was seine Verwandten so sehr überrascht hatte, war seine eigene Karriere höchst un-Vor-mäßig verlaufen. Seine Ehe
ebenfalls. Er hatte damit damals begonnen, als die Alten Vor noch beträchtlich konservativer gewesen waren als heute – Miles dachte zum Beispiel an seinen Großvater und unterdrückte ein Schaudern.
»Und die Ehe schien gut anzufangen«, fuhr der
Professor fort. »Sie schien beschäftigt und glücklich zu sein, dann stellte sich der kleine Nikki ein… Tien wechselte meiner Meinung nach ziemlich oft die Stellen, aber er stand ja als Neuling erst am Anfang seiner Karriere; manchmal braucht es ein paar Fehlstarts, bis man sich freischwimmt. Ekaterins Kontakt zu uns schlief ein, doch wenn wir ihr begegneten, wirkte sie … ruhiger. Tien ließ sich nie irgendwo nieder, sondern jagte immer einem Regenbogen nach, den sonst niemand sehen konnte. Ich glaube, all die Umzüge fielen ihr schwer.« Er runzelte die Stirn, als überlegte er, ob er irgendwelche Hinweise übersehen hatte.
Miles wagte nicht, ohne Ekaterins ausdrückliche Erlaub331
nis Vorzohns Dystrophie zu erwähnen. Er hatte nicht das Recht dazu. Und so beschränkte er sich nur auf die
Bemerkung: »Ich glaube, Ekaterin fühlt sich jetzt vielleicht freier, mehr über ihre Ehe zu erzählen.«
Der Professor linste ihn besorgt an. »So …?«
Welche Antworten würde ich wohl bekommen, wenn ich dieselben Fragen der Professora stellte? Miles schüttelte den Kopf und ging kurz weg, um Ekaterin an die
KomKonsole zu holen.
Ekaterin. In Gedanken kostete er die Silben ihres
Namens aus. Im Gespräch mit ihrem Onkel war es so leicht gewesen, diese familiäre Form zu verwenden. Doch sie hatte ihn noch nicht eingeladen, ihren Vornamen zu verwenden. Ihr verstorbener Ehemann hatte sie Kat genannt.
Ein Kosename. Ein kurzer Name. Als hätte er nicht die Zeit gehabt, ihn ganz auszusprechen, oder als wünschte er nicht, sich diese Mühe zu machen. Es stimmte, ihr vollständiger Name Ekaterin Nile Vorvayne Vorsoisson war unpraktisch lang, ein ganzer Mund voll. Aber Ekaterin lag leicht auf der Zungenspitze, doch er war elegant und würdevoll und durchaus eine zusätzliche Sekunde wert.
»Madame Vorsoisson?«, rief er leise in den Korridor.
Sie kam aus ihrem Arbeitszimmer; er wies auf den
gesicherten Vid-Anschluss. Ihr Gesicht war ernst, ihre Schritte zögernd; sanft schloss er die Tür von Tiens Zimmer hinter ihr und ließ sie und ihren Onkel allein.
Ungestörtheit würde in den Tagen, die ihr bevorstanden, zu einem seltenen und kostbaren Element werden, das wusste er schon jetzt.
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Schließlich traf der Reparaturtechniker ein, begleitet von einem weiteren Wächter im Dienst. Miles nahm beide
beiseite, um ein Wort mit ihnen zu wechseln.
»Ich möchte, dass Sie beide hier bleiben, bis ich zurückkomme, verstanden? Madame Vorsoisson darf nicht unbewacht bleiben. Hm … wenn Sie mit der Tür fertig sind, dann erkundigen Sie sich bei ihr, ob noch andere Reparaturen notwendig sind, und dann übernehmen Sie diese für sie.«
»Jawohl, Mylord.«
Gefolgt von seinem eigenen Wächter begab sich. Miles zu den Büros des Terraforming-Projekts. Auf der
Bubblecar-Plattform, in der Vorhalle des Gebäudes und an den Eingängen der Korridore zu den entsprechenden
Stockwerken kam Miles an KBS-Wachen vorbei.
Deprimiert erinnerte sich Miles an den Spruch der Alten Vor vom Aufstellen von Wachen an der Anpflockstelle nach dem Diebstahl der Pferde. In den Büros wechselte das KBS-Personal von stahläugigen Gorillas zu eifrigen Technikern und Angestellten, die effizient die Daten von den KomKonsolen herunterluden und Dateien prüften. Angestellte des Terraforming-Projekts schauten ihnen mit unterdrücktem Schrecken zu.
Miles entdeckte Oberst Gibbs, der sich in Vorsoissons Vorzimmer niedergelassen hatte, wo seine eigene mitgebrachte KomKonsole fest installiert war; zu Miles’ Überraschung tanzte der kaninchenartige Venier um den KBS-Finanzanalytiker herum. Als Miles das Büro betrat, warf 333
Venier ihm einen Blick voller Abneigung zu.
»Guten Morgen, Vennie; ich habe irgendwie nicht
erwartet, Sie hier zu sehen«, begrüßte Miles ihn freundlich.
Er war auf seltsame Weise froh, dass der Kerl nicht einer von Soudhas Leuten gewesen war. »Hallo, Oberst. Ich bin Vorkosigan. Tut mir Leid, dass wir Sie so kurzfristig herholen
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