Vorkosigan 13 Komarr
schlechten hinterher?« Vorkosigan zuckte die Achseln und lehnte es ab, seine eigene Frage zu beantworten. »Es gibt noch eine zweite Denkschule, eine rein militärische. Die Beschränkung der Bevölkerung auf die Kuppelstädte macht Komarr militärisch verletzlicher. Warum soll man der Bevölkerung einer eroberten Welt zusätzliches Territorium geben, in das sie sich zurückziehen und sich dort neu formieren kann?
Dieser Gedanke geht von der interessanten Annahme aus, dass nach dreihundert Jahren, wenn das Terraforming endlich abgeschlossen ist, die Bevölkerungen von Komarr und Barrayar immer noch nicht einander assimiliert sein werden. Und wenn doch, dann würde es sich ja um unsere Kuppelstädte handeln, und wir würden dann sicherlich nicht wollen, dass sie verletzlich sind, oder?«
Er hielt inne, nahm einen Bissen Brot und Eintopf,
spülte ihn mit Wein hinunter und fuhr dann fort: »Da Gregor sich zur Politik der Assimilation bekennt und er mit seiner kaiserlichen Person für diese Politik einsteht, wird…
hm… die Frage nach einem Motiv für Sabotage kompli23
ziert. Könnten die Saboteure vielleicht isolationistische Barrayaraner gewesen sein? Komarranische Extremisten?
Leute von beiden Seiten, die hofften, in der Öffentlichkeit die Schuld daran der jeweils anderen Seite geben zu können? Wie sehr ist der durchschnittliche, in einer Kuppelstadt lebende Komarraner einem Ziel verpflichtet, dessen Verwirklichung keiner der jetzt Lebenden jemals sehen wird? Würde man nicht lieber das Geld heutzutage sparen? Ob es Sabotage oder Unfall war, macht vom
technischen Standpunkt aus gesehen keinen Unterschied, aber einen sehr großen, wenn man es politisch sieht.«
Vorkosigan und Onkel Vorthys tauschten einen besorgten Blick aus.
»Also beobachte, horche und warte ich«, schloss Vorkosigan. Er wandte sich an Tien. »Und wie gefällt Ihnen Komarr, Administrator Vorsoisson?«
Tien grinste und zuckte die Achseln. »Der Planet ist schon in Ordnung, wenn nur die Komarraner nicht wären.
Ich habe festgestellt, dass sie eine verdammt empfindliche Bande sind.«
Vorkosigan zog die Augenbrauen hoch. »Haben sie
keinen Sinn für Humor?«
Ekaterin blickte argwöhnisch auf. Dieser trockene Ton in seiner gedehnten Sprechweise ließ sie zusammenzucken, doch er entging anscheinend Tien, der nur schnaubte. »Sie lassen sich zu etwa gleichen Teilen in die Gierigen und in die Mürrischen einteilen. Barrayaraner zu betrügen hält man für eine patriotische Pflicht.«
Der Auditor hob sein leeres Weinglas in Ekaterins
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Richtung. »Und Sie, Madame Vorsoisson?«
Sie füllte es bis zum Rand, bevor er sie aufhalten konnte.
Sie war vorsichtig mit ihrer Antwort. Falls ihr Onkel in diesem Auditorenduo der technische Experte war, hieß das dann, dass Vorkosigan der… politische war? Wer war
wirklich das tonangebende Mitglied dieses Teams? Hatte Tien überhaupt irgendwelche der verhalten aufblitzenden Andeutungen in den Worten des kleinen Lords mitbekommen? »Es ist nicht leicht gewesen, komarranische Freunde zu finden. Nikolai geht auf eine barrayaranische Schule. Und ich habe keine Arbeit, wo ich mit Komarranern zusammenkäme.«
»Eine Vor-Dame braucht wohl kaum eine Arbeit«, sagte Tien mit einem Lächeln.
»Ein Vor-Lord auch nicht«, fügte Vorkosigan fast flüsternd hinzu, »und doch sind wir hier…«
»Das hängt von der Fähigkeit ab, die richtigen Eltern auszuwählen«, sagte Tien mit einem säuerlichen Unterton.
Er blickte zu Vorkosigan hinüber. »Stillen Sie bitte meine Neugier. Sind Sie mit dem früheren Lordregenten verwandt?«
»Er ist mein Vater«, erwiderte Vorkosigan knapp. Er lächelte nicht.
»Dann sind Sie der Lord Vorkosigan, der Erbe des Grafen.«
»Das folgt daraus, ja.«
»Ihre Erziehung muss schrecklich schwierig gewesen
sein«, platzte Ekaterin heraus.
»Er ist damit fertig geworden«, murmelte Vorkosigan.
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»Ich meinte: für Sie!«
»Ach so.« Sein Lächeln kehrte kurz zurück und verschwand wieder.
Das Gespräch geriet jetzt auf ein falsches Gleis, wie Ekaterin spürte; sie wagte kaum den Mund aufzumachen und zu versuchen, es wieder umzulenken. Tien mischte sich ein, bohrte weiter: »Konnte Ihr Vater, der große Admiral, sich damit abfinden, dass Sie keine militärische Karriere einschlagen konnten?«
»Mein Großvater, der große General, war mehr darauf erpicht.«
»Ich war selber ein Mann mit Zehn-Jahres-Dienst, wie üblich. In der Verwaltung, wo es sehr langweilig
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