Vorkosigan 14 16 17 Der Botschafter
beabsichtigen, dann wäre keine der Veränderungen eingetreten, die ich im Laufe meines Lebens erlebt habe.
Wir haben uns geändert. Wir können uns auch noch etwas mehr ändern. Nicht auf der Stelle, nein. Aber wenn alle anständigen Leute den Dienst quittieren und nur die Idioten übrig bleiben, um den Laden zu schmeißen, dann ist das nicht gut für die Zukunft von Barrayar. Um die ich mir Sorgen mache.« Es überraschte ihn, wie leidenschaftlich wahr diese Aussage in letzter Zeit geworden war. Er dachte an die beiden Replikatoren in dem bewachten Raum im Palais Vorkosigan. Ich dachte immer, meine Eltern könnten alles in Ordnung bringen. Jetzt bin ich an der Reihe.
Lieber Gott, wie ist das geschehen?
»Ich habe mir nie vorgestellt, dass es so etwas geben
könnte.« Corbeaus ruckartige Bewegung zielte jetzt, so schloss Miles, auf den ganzen Quaddie-Raum. »Ich habe mir nie vorgestellt, dass es eine Frau wie Granat Fünf geben könnte. Ich möchte hier bleiben.«
Miles hatte das unangenehme Gefühl, dass hier ein
verzweifelter junger Mann war, der vorübergehenden
Reizen zuliebe Entscheidungen fällte, die für immer gelten sollten. Station Graf war auf den ersten Blick attraktiv, aber Corbeau war in einem offenen Land mit echter Schwerkraft und echter Luft aufgewachsen – würde er sich anpassen oder würde ihn die Techno-Klaustrophobie beschleichen? Und die junge Frau, der zuliebe er sein
1064
Leben über den Haufen werfen wollte, war sie es wert,
oder würde sich herausstellen, dass Corbeau für sie nur ein vorübergehendes Vergnügen gewesen war? Oder, im Laufe der Zeit, ein schlimmer Fehler? Zum Teufel, sie hatten einander nur ein paar Wochen gekannt – niemand konnte es wissen, am wenigsten von allen Corbeau und Granat Fünf.
»Ich möchte hier raus«, sagte Corbeau. »Ich halte es
nicht länger aus.«
»Wenn Sie Ihren Antrag auf politisches Asyl in der
Union zurückziehen, bevor die Quaddies ihn ablehnen«,
versuchte es Miles erneut, »dann könnte er noch Ihrer
gegenwärtigen rechtlichen Ungewissheit zugeschrieben
werden und man könnte ihn verschwinden lassen, ohne
dass Ihrer Karriere weiterer Schaden zugefügt würde.
Wenn Sie ihn nicht vorher zurückziehen, dann wird die
Anklage auf Fahnenflucht ohne jeden Zweifel an Ihnen
hängen bleiben und Ihnen beträchtlich schaden.«
Corbeau blickte auf und fragte besorgt: »Bedeutet nicht der Schusswechsel, den Bruns Patrouille hier mit den Sicherheitsleuten der Quaddies hatte, die Hitze des Gefechts? Der Arzt von der Prinz Xav sagte, das sei wahrscheinlich so.«
In der Hitze des Gefechts, Fahnenflucht im Angesicht des Feindes, darauf stand nach dem barrayaranischen Miltärgesetz die Todesstrafe. Fahnenflucht in Friedenszeiten wurde bestraft durch lange Aufenthalte in einigen äußerst unangenehmen Militärgefängnissen. Beides bedeutete eine übermäßige Vergeudung, wenn man alles bedachte. »Ich glaube, es wäre schon eine ziemlich
1065
komplizierte Verdrehung der Gesetze notwendig, um diese Episode eine Schlacht zu nennen. Überdies würde eine solche Definition direkt dem ausdrücklichen Wunsch des Kaisers zuwiderlaufen, mit diesem wichtigen Handelsposten friedliche Beziehungen zu unterhalten. Jedoch… bei einem hinreichend feindlichen Gericht und einem dilettantischen Verteidiger… würde ich es nicht als klug bezeichnen, ein Kriegsgerichtsverfahren zu riskieren, wenn man es vermeiden könnte.« Miles strich sich über die Lippen. »Waren Sie zufällig betrunken, als Sergeant Touchev kam, um Sie mitzunehmen?«
»Nein!«
»Hm. Schade. Trunkenheit eignet sich wunderbar
zuverlässig zur Verteidigung. Ist weder politisch noch gesellschaftlich radikal, verstehen Sie. Vermutlich nicht…?«
Corbeau kniff ungehalten die Lippen zusammen. Miles
spürte: Corbeau vorzuschlagen, er solle über seinen
chemischen Zustand lügen, würde nicht sehr erfolgreich sein. Was allerdings den jungen Offizier in seiner Achtung höher steigen ließ. Doch das machte ihm die Sache um keinen Deut leichter.
»Ich möchte immer noch heraus«, wiederholte Corbeau
eigensinnig.
»Zurzeit mögen die Quaddies Barrayaraner nicht
sonderlich, fürchte ich. Sich darauf zu verlassen, dass sie Ihnen politisches Asyl gewähren, um Sie so aus Ihrem Dilemma herauszuholen, halte ich für einen schweren Fehler. Es muss ein halbes Dutzend besserer Methoden
1066
geben, um Ihre Probleme zu lösen, wenn Sie Ihr Denken
nur für weiter reichende taktische Möglichkeiten
Weitere Kostenlose Bücher