Vorkosigan 15 Ein friedlicher Angriffsplan
Ivan, dass die Türkante mit abgerundetem Gummi anstatt mit einem Flansch aus fein geschliffenem Rasiermesserstahl umrandet war.
»Guten Morgen, Ivan«, meldete sich By in seiner
gedehnten Sprechweise durch den schuhbreiten Spalt.
»Wieso, zum Teufel, bist du schon so früh auf den
Beinen?«, fragte Ivan misstrauisch.
»So spät«, erwiderte By mit der Andeutung eines
Lächelns.
Nun, das ergab etwas mehr Sinn. Nach genauerer
Betrachtung wirkte By etwas elend, mit einem Bartschatten und rot umrandeten Augen. »Ich möchte nichts mehr über deinen Cousin Dono hören«, sagte Ivan mit Nachdruck.
»Hau ab.«
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»Genau genommen geht es um deinen Cousin Miles.«
Ivan äugte nach seinem Zeremonialschwert, das in der
Nähe in einem Schirmständer steckte, der aus einer
altmodischen Artilleriegranate gefertigt war. Wenn er es hart genug auf Bys beschuhten Fuß herabstieße, sodass dieser zurückzuckte, würde er dann die Tür schließen und wieder absperren können? Doch der Schirmständer befand sich just außer Reichweite. »Ich möchte auch nichts mehr über meinen Cousin Miles hören.«
»Es handelt sich um etwas, das er meiner Meinung nach wissen sollte.«
»Schön. Dann geh und erzähl es ihm.«
»Das würde ich… lieber nicht tun, wenn ich alles in
Betracht ziehe.«
Ivans fein eingestellte Detektoren für Unrat begannen rot zu blinken, und zwar in einem Winkel seines Gehirns, der normalerweise um diese Uhrzeit noch nicht aktiv war.
»So? Was meinst du mit alles?«
»Ach, du weißt schon… Takt… Rücksichtnahme…
Familiensinn…»
Ivan machte ein derbes Geräusch mit den Lippen.
«… die Tatsache, dass er eine wertvolle Stimme im Rat der Grafen kontrolliert …«, fuhr By gelassen fort.
»Dono ist hinter der Stimme meines Onkels Aral her«,
betonte Ivan. »Genau genommen. Mein Onkel ist vor vier Tagen nach Vorbarr Sultana zurückgekommen. Geh doch zu ihm und behellige ihn.« Wenn du es wagst.
By bleckte die Zähne in einem gequälten Lächeln. »Ja,
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Dono hat mir alles über den großartigen Einzug des
Vizekönigs und die verschiedenen großartigen Abgänge
erzählt. Ich weiß nicht, wie es dir gelungen ist, aus dem Zusammenbruch heil zu entkommen.«
»Habe mich von Gefolgsmann Roic durch die Hintertür
hinausgeleiten lassen«, erwiderte Ivan kurz angebunden.
»Aha, verstehe. Sehr klug, ohne Zweifel. Aber Graf
Vorkosigan hat es auf jeden Fall publik gemacht, dass er in neun von zehn Abstimmungen seine Vertretung dem Ermessen seines Sohnes überlässt.«
»Das ist seine Angelegenheit. Nicht meine.«
»Hast du noch mehr von diesem Kaffee?« By beäugte
sehnsüchtig die Tasse in Ivans Hand.
»Nein«, log Ivan.
»Dann wärest du vielleicht so nett und machst mir noch welchen. Los, Ivan, ich appelliere an deine Menschlichkeit.
Es war eine sehr lange und langweilige Nacht.«
»Ich bin mir sicher, du kannst in Vorbarr Sultana ein Etablissement finden, das schon offen ist und dir Kaffee verkauft. Auf deinem Heimweg.« Vielleicht würde er das Schwert nicht in seiner Scheide lassen…
By seufzte, lehnte sich an den Türpfosten und
verschränkte die Arme, als stellte er sich auf eine längere Plauderei ein. Sein Fuß blieb fest in den Türspalt gepflanzt.
»Was hast du denn in den letzten paar Tagen von deinem Cousin, dem Lord Auditor, gehört?«
»Nichts.«
»Und was hältst du davon?«
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»Wenn Miles entscheidet, was ich davon halten soll, dann wird er es mir sicherlich sagen. Das macht er immer so.«
By schürzte verächtlich die Lippen, doch sofort zog er sie wieder gerade. »Hast du versucht, mit ihm zu reden?«
»Sehe ich so blöd aus? Du hast doch von dieser Party
gehört. Der Mann ist abgestürzt und ausgebrannt. Er wird jetzt tagelang unmöglich sein. Diesmal kann meine Tante Cordelia ihm den Kopf unter Wasser halten.«
By zog die Augenbrauen hoch. Wahrscheinlich nahm er
diese letzte Bemerkung als eine amüsante Metapher. »Na, na. Miles' kleiner fauxpas war nicht unverzeihlich, zumindest laut Dono, den ich für einen kundigeren Kenner des weiblichen Geschlechtes halte, als wir es sind.« Bys Gesicht wurde nüchtern, und er kniff seine grauen Augen seltsam zusammen. »Aber es kann unverzeihlich sein, wenn nichts unternommen wird.«
Ivan zögerte. »Was meinst du damit?«
»Kaffee, Ivan. Und was ich dir mitzuteilen habe, ist
nicht, ich wiederhole, nicht für den öffentlichen Korridor bestimmt.«
Das werde ich noch bereuen. Widerwillig
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