Vorkosigan 16 Geschenke zum Winterfest
pharmazeutisches Labor?«, wiederholte Roic ausdruckslos. »Warum, fühlen Sie sich ebenfalls unwohl? Ich kann den Hausarzt der Vorkosigans für Sie rufen, oder einen der MedTechs, die den Graf und die Gräfin im Auge behalten …«Würde sie eine Art Spezialisten von einem anderen Planeten brauchen? Kein Problem, der Name Vorkosigan würde einen finden, dessen war er sich sicher.
Selbst in der Nacht der Freudenfeuer.
»Nein, nein. Ich habe nur überlegt.«
»Heute Nacht ist nicht viel offen. Es ist Feiertag. Alle sind unterwegs bei den Partys und den Freudenfeuern und dem Feuerwerk. Auch morgen. Morgen ist hier der erste Tag des neuen Jahres, nach dem barrayaranischen Kalender.«
Sie lächelte kurz. »Natürlich. Ein neuer Anfang. Bestimmt hat ihm die Symbolik gefallen.«
»Vermutlich sind die Labors der Krankenhäuser die ganze Nacht offen. Ihre Notaufnahmen sind offen. Und auch höllisch beschäftigt. In der Nacht der Freudenfeuer brachten wir den Krankenhäusern in Hassadar alle Arten von Kundschaft.«
»Krankenhäuser, ja, natürlich! Ich hätte gleich daran denken sollen.«
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»Warum wollen Sie da hin?«, fragte er erneut.
Sie zögerte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich das will. Es war nur so ein Gedanke, den ich heute Abend hatte, als diese Tante Miles anrief. Bin mir allerdings nicht sicher, ob ich das Ergebnis dieser Gedanken mag …« Sie wandte sich ab und eilte schwungvoll die Treppe hinauf, wobei sie mühelos zwei Stufen auf einmal nahm. Roic runzelte die Stirn, dann ging er, um zu schauen, welches Fahrzeug noch in der Garage im zweiten Kellergeschoss übrig war. Da schon so viele unterwegs waren, um den Haushalt und seine Gäste zu transportieren, würde das schnelle Improvisation erfordern.
Aber Taura hatte mit ihm gesprochen, und zwar fast normal. Vielleicht … vielleicht gab es so etwas wie eine Chance. Wenn ein Mann tapfer genug war, um sie zu ergreifen.
Das Haus von Lord Auditor und Professora Vorthys war ein hohes, altes, mit bunten Ziegeln verziertes Gebäude in der Nähe der Distriktsuniversität. Die Straße war ruhig, als Roic den Wagen – den er sich schließlich ohne Meldung von einem der Gefolgsmänner ausgeborgt hatte, die mit dem Grafen in der Residenz waren – an der Vorderseite parkte. Aus der Ferne, vor allem aus der Richtung der Universität, kamen das scharfe Geknatter von Feuerwerk, harmonischer Gesang und betrunkenes Gegröle. Ein kräftiger Geruch von Holzrauch und Schwarzpulver drang durch die frostige Nachtluft.
Das Licht unter dem Vordach war an. Die Professora, eine ältere, lächelnde adrette Vor-Lady, die Roic nur ein
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bisschen weniger einschüchterte als Lady Alys, ließ sie selbst ins Haus. Ihr weiches, rundes Gesicht war angespannt vor Sorge.
»Haben Sie ihr gesagt, dass ich komme?«, fragte Mylord leise, als er seinen Mantel ablegte. Er blickte besorgt die Treppe hinauf, die von dem engen, mit Holz getäfelten Flur nach oben führte.
»Ich habe es nicht gewagt.«
»Helen … was soll ich tun?« Mylord wirkte plötzlich kleiner und erschrocken und jünger und älter – alles gleichzeitig.
»Gehen Sie einfach hinauf. Hier geht es nicht um Reden oder Worte oder Vernunftgründe. Ich habe schon alles ausprobiert.«
Er knöpfte die graue Jacke zu, die er über ein altes wei
ßes Hemd gezogen hatte, dann knöpfte er sie wieder auf, zog die Ärmel herunter, holte tief Luft, trat auf die Treppe und verschwand nach oben. Nach ein, zwei Minuten hörte die Professora damit auf, nervös an ihren Händen zu zupfen, wies Roic zu einem Stuhl neben einem kleinen Tisch, auf dem sich Bücher und Folien häuften, und ging auf Zehenspitzen hinter Mylord her.
Roic saß im Flur und lauschte dem Knarren des alten Hauses. Aus dem Wohnzimmer, das durch einen Durchgang zu sehen war, leuchtete golden die Glut eines offenen Kamins. Durch den gegenüberliegenden Durchgang sah man in das Studierzimmer der Professora, das mit Büchern gesäumt war; Licht aus dem Flur ließ da und dort etwas von der goldenen Beschriftung alter Bücherrücken in der Finsternis aufschimmern. Roic war selbst kein Bücher
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mensch, aber ihm gefiel der gemütlich akademische Geruch dieses Ortes. Ihm kam der Gedanke, dass damals, als er bei der Stadtwache von Hassadar gewesen war und an Tatorten schlimmer Verbrechen mit Blut an den Wänden und üblen Gerüchen in der Luft aufräumen musste, kein Haus dabei gewesen war, wo es Bücher gab wie in diesem hier.
Es dauerte lange, bis
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