Vorkosigan 17 Diplomatische Verwicklungen
nicht dabeihaben wollen?, doch seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen tat er sein Bestes, um diese Frage telepathisch zu senden.
»Ich werde alles später erklären«, versprach Miles Roic mit gedämpfter Stimme, salutierte andeutungsweise und –
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wie er hoffte – beruhigend und schickte ihn weg.
Er führte Bel die paar Stufen hinauf zu dem winzigen Raum, der als Offiziersmesse, Speisezimmer und Besprechungsraum der Turmfalke diente, schloss beide Türen und aktivierte den Sicherheitskegel. Ein schwaches Summen des Projektors an der Decke und ein Schimmern in der Luft um den kreisförmigen Ess-, Vid-und Konferenztisch überzeugte ihn davon, dass diese Vorrichtung gegen das Abhören der Gespräche funktionierte. Er drehte sich um und entdeckte, dass Bel ihn beobachtete, den Kopf ein wenig seitwärts geneigt, der Blick fragend, den Mund etwas verzogen. Miles zögerte einen Moment lang. Dann brachen sie gleichzeitig in Gelächter aus und fielen einander in die Arme. Bel klopfte ihm auf den Rücken und sagte mit gepresster Stimme: »Verdammt, verdammt, verdammt, du abgesägter kleiner Halbblutverrückter …«
Miles trat atemlos einen Schritt zurück. »Bel, bei Gott, du siehst gut aus.«
»Bestimmt älter, oder?«
»Ja, das auch. Aber ich glaube, darüber darf gerade ich wohl nichts sagen.«
»Du siehst prächtig aus. Gesund. Solide. Sehe ich es richtig, dass diese Frau dich richtig ernährt? Oder jedenfalls etwas anderes richtig macht?«
»Aber ich bin doch nicht dick, oder?«, fragte Miles besorgt.
»Nein, nein. Aber als ich dich letztes Mal sah, wo man dich gerade aus der Kryo-Gefrierung auftaute, da sahst du aus wie ein Schädel auf einem Stock. Da hast du uns allen große Sorgen bereitet.«
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Bei erinnerte sich offenbar an jene letzte Begegnung mit derselben Deutlichkeit wie Miles selbst. Vielleicht sogar noch deutlicher.
»Ich habe mir um dich auch Sorgen gemacht. War bei
dir … alles in Ordnung? Wie zum Teufel bist du hier gelandet?« War diese Frage zartfühlend genug?
Bel hob die Augenbrauen ein wenig und las in Miles’
Miene. »Vermutlich war ich zuerst ein wenig desorientiert, als ich die Dendarii-Söldner verließ. Mit Oser und dir als Kommandanten hatte ich dort fast fünfundzwanzig Jahre gedient.«
»Mir hat das höllisch Leid getan.«
»Ich würde sagen, nicht halb so Leid wie mir, aber du bist ja schließlich gestorben.« Bel blickte kurz zur Seite.
»Neben anderen Leuten. Keiner von uns hatte ja damals eine Wahl. Ich hätte nicht weitermachen können. Und …
auf lange Sicht gesehen war es gut so. Ich war in einen gewissen Trott verfallen, ohne es zu wissen, glaube ich. Ich brauchte etwas, was mich da wieder herausbrachte. Ich war bereit für einen Wechsel. Nun ja, nicht bereit, aber …«
Miles, der an Bels Lippen hing, erinnerte sich daran, wo sie waren. »Setz dich, setz dich.« Er wies auf den kleinen Tisch; sie setzten sich nebeneinander. Miles stützte den Arm auf die dunkle Tischfläche und beugte sich zu Bel hinüber, um zu lauschen.
»Ich bin sogar für eine kleine Weile nach Hause gegangen«, fuhr Bel fort. »Aber ich fand heraus, dass dieses Vierteljahrhundert, das ich als freier Herrn im Nexus herumgezogen bin, mich irgendwie von der Wellenlänge der Kolonie Beta abgekoppelt hat. Ich nahm ein paar Jobs im 73
Weltraum an, einige davon auf Anregung unseres gemeinsamen Arbeitgebers. Dann bin ich hier gelandet.« Bel strich sich mit gespreizten Fingern seine grau-braunen Ponyfransen aus der Stirn, eine vertraute Geste; sie fielen sofort wieder zurück und wirkten noch rührender als zuvor.
»Der KBS ist nicht mehr mein Arbeitgeber, genau genommen«, erwiderte Miles.
»So? Was ist er dann für dich, genau genommen?«
Miles zögerte einen Moment. »Mein … Nachrichtenlieferant«, sagte er schließlich. »Aufgrund meines neuen Jobs.«
Diesmal zog Bel die Augenbrauen höher. »Diese Geschichte von wegen kaiserlicher Auditor ist also keine Tarnung für den jüngsten Trick mit verdeckten Operationen?«
»Nein. Das ist echt. Ich habe Schluss gemacht mit den Tricks.«
Bels Lippen zuckten. »Was, mit dem komischen Akzent?«
»Das ist meine echte Stimme. Der betanische Akzent, den ich für Admiral Naismith kultivierte, war gespielt. Sozusagen. Ich hatte ihn allerdings auf dem Schoß meiner Mutter gelernt.«
»Als Watts mir den Namen des vermutlichen Topgesandten nannte, den die Barrayaraner schickten, da dachte ich mir schon, das müsstest du sein. Deshalb sorgte
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