Vorkosigan 17 Diplomatische Verwicklungen
nahmen in der Schwerelosigkeit in der Mitte der kugelförmigen Halle perfekt Position ein; ihre Bewegung war dabei so kontrolliert, dass sie kein Abdriften seitwärts gestattete, während die Energie ihrer Drehungen und Verbeugungen, ihrer Biegungen und Wendungen durch ihre Körper floss, vom einen zum anderen und wieder rund herum. Die Luft pulsierte im Rhythmus ihrer Trommelwirbel: 131
Trommeln aller Größen, rund, länglich, doppelköpfig; nicht nur gespielt vom jeweiligen Trommelhalter, sondern einige wurden zwischen ihnen hin und her gestoßen in einer Augen und Ohren betäubenden Mischung aus Musik und Jonglieren, und kein einziger Schlag ging fehl. Die Lichter tanzten. Ihre Spiegelungen übersprühten die Wände und fielen auf erhobene Hände, Arme, helles Tuch,
Schmuck und verzückte Gesichter in den Logen.
Dann schoss, einem Geysir gleich, von einem anderen Eingang ein Dutzend Quaddie-Frauen, alle in Blau und Grün gekleidet, hinauf in das wachsende geodätische Muster und schloss sich dem Tanz an. Alles, was Miles denken konnte, war: Wer auch immer als Erster Kastagnetten in den Quaddie-Raum gebracht hat, hat vieles zu verantworten. Sie brachten eine lachende Diskantnote in das Geflecht aus Perkussionstönen: Handtrommeln und Kastagnetten, keine anderen Instrumente. Es wurden auch keine gebraucht. Der runde Raum hallte wider und vibrierte.
Miles dachte an barrayaranische Marschkapellen. Es war nicht genug, dass Menschen etwas so Schwieriges taten und ein Musikinstrument zu spielen lernten. Nein, sie mussten es noch in Gruppen tun. Während sie herummarschierten. In komplizierten Mustern. Und dann wetteiferten sie miteinander, es noch besser zu tun. Leistung, diese Art von ausgezeichneter Leistung, konnte niemals eine vernünftige ökonomische Rechtfertigung haben. Es musste der Ehre Gottes, des Landes oder des Volkes zuliebe getan werden. Um der Freude willen, ein Mensch zu sein.
Das Stück dauerte zwanzig Minuten, bis die Spieler
keuchten und der Schweiß in winzigen Perlen von ihnen 132
tropfte und in funkelnden Schlieren in die Dunkelheit schoss, und immer noch wirbelten sie herum. Miles musste sich zwingen, nicht aus Sympathie mit ihnen zu hyperventilieren, den Herzschlag synchron mit ihren Rhythmen.
Dann gab es einen letzten großartigen Ausbruch freudigen Lärms – und irgendwie löste sich das Netz aus vierarmigen Männern und Frauen in zwei Ketten auf, die zu den Öffnungen zurückströmten, aus denen sie eine Offenbarung zuvor herausgekommen waren.
Es war wieder dunkel. Die Stille war wie ein Schlag; Miles hörte hinter sich Roic ehrfürchtig ausatmen, sehnsüchtig, wie ein Mann, der vom Krieg nach Hause gekommen ist und sich zum ersten Mal entspannt in sein eigenes Bett legt.
Der Beifall – Klatschen von Händen natürlich – erschütterte den Raum. Keiner der Barrayaraner, so dachte Miles, musste jetzt Begeisterung für die Quaddie-Kultur heucheln.
Es wurde wieder still in der Halle, als das Orchester von vier Stellen aus hereinkam und Stellung um das große Fenster bezog. Das halbe Hundert Quaddies trug eine standardmäßigere Auswahl an Instrumenten – alle akustisch, wie Ekaterin ihm fasziniert zuflüsterte. Sie entdeckten Nicol, der zwei weitere Quaddies assistierten und halfen, ihre Harfe zu bugsieren und zu sichern; dazu kam noch ihr doppelseitiges Zymbal, das aus diesem Blickwinkel wie ein stumpfer länglicher Kasten aussah. Doch das Stück, das folgte, enthielt einen Solopart für sie mit dem Zymbal; ihr elfenbeinfarbenes Gesicht wurde von einem Scheinwerfer hervorgehoben, und die Musik, die zwischen ihren vier rasenden Händen hervorströmte, war alles andere als stumpf: 133
strahlend ätherisch, herzergreifend, elektrisierend.
Bel musste das schon Dutzende Male gesehen haben,
vermutete Miles, aber der Hermaphrodit war gewiss ebenso fasziniert wie jeder Neuankömmling. Was in Bels Augen leuchtete, war nicht bloß das Lächeln eines Liebenden.Ja,
du würdest sie nicht richtig lieben, wenn du nicht auch ihre unbekümmerte, überschwängliche, verschwenderische Leistung liebtest. Kein eifersüchtiger Liebhaber, so gierig und selbstsüchtig er auch war, konnte alles für sich horten; es musste in die Welt strömen, sonst würde seine Quelle bersten. Miles blickte zu Ekaterin hinüber und dachte an ihre großartigen Gärten zu Hause auf Barrayar, die ihr hier sehr fehlten. Ich werde dich nicht viel länger von ihnen fem halten, meine Liebste. Das verspreche ich dir!
Es
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