Vorkosigan 17 Diplomatische Verwicklungen
griff wie im Reflex danach, dann zog er die Hand zurück. Miles hatte schon allerhand zurückhaltende Leute kennen gelernt, aber noch nie zuvor jemanden, der sich dafür entschuldigte, dass er blutete. Dubauer, der als Bürger von Kolonie Beta mit deren geringer Verbrechensrate Gewalt gegen Privatpersonen nicht gewohnt war, befand sich am Rande der Verzweiflung.
Eine Sicherheitspolizistin der Quaddies kam besorgt angeschwebt. »Was zum Teufel ist hier passiert?«, wollte sie wissen und klappte einen Rekorder auf.
Miles wies auf Bel, und der übernahm es, den Vorfall in den Rekorder zu beschreiben. Bel war so ruhig, logisch und detailgetreu, wie er es bei jeder Einsatznachbesprechung der Dendarii gewesen war, was möglicherweise die Frau noch mehr überraschte als die Menge von Zeugen, die sich eifrig um den Tatort drängten und versuchten, die Geschichte in erregteren Worten zu erzählen. Zu Miles großer Erleichterung war sonst niemand von Nieten getroffen worden, ein paar Leute hatten allerdings abprallende 166
Marmorsplitter abbekommen. Die Zielgenauigkeit des Kerl mochte unvollkommen gewesen sein, aber offensichtlich hatte er nicht vorgehabt, ein allgemeines Massaker anzurichten.
Gut für die öffentliche Sicherheit auf Station Graf, aber
– wenn man es bedachte – nicht so gut für Miles … Seine Kinder hätten schon jetzt Waisen sein können, noch bevor sie überhaupt die Chance gehabt hatten, geboren zu werden. Sein Testament war auf dem neuesten Stand und hatte den Umfang einer akademischen Abhandlung samt Bibliografie und Fußnoten. Plötzlich erschien es ihm völlig unangemessen für seinen Zweck.
»War der Verdächtige ein Planetarier oder ein Quaddie?«, fragte die Polizistin Bel eindringlich.
Bel schüttelte den Kopf. »Wegen des Balkongeländers konnte ich die untere Hälfte seines Körpers nicht sehen. Ich bin mir nicht einmal wirklich sicher, dass es ein Mann war.«
Ein planetarischer Transitgast und die Quaddie—
Kellnerin, die ihm seinen Drink auf der Wartehallenebene serviert hatte, meldeten sich mit der Information, dass der Angreifer ein Quaddie gewesen und mit seinem Schweber hinab in einen benachbarten Korridor geflohen sei. Der Transitgast schien davon überzeugt, dass es ein Mann gewesen war, die Kellnerin jedoch war sich jetzt, wo die Frage zur Debatte stand, nicht mehr so sicher. Dubauer entschuldigte sich, dass er den Unbekannten überhaupt nicht gesehen habe.
Miles stieß mit dem Fuß gegen die Nietenmaschine und fragte Bel in leiserem Ton: »Wie schwer wäre es, so etwas 167
durch die Checkpoints der Stationssicherheit zu tragen?«
»Leicht«, erwiderte Bel. »Niemand würde auch nur mit der Wimper zucken.«
»Stammt es aus hiesiger Fertigung?« Das Gerät sah sehr neu aus.
»Ja, das ist ein Produkt von Station Freistatt. Dort stellt man gutes Werkzeug her.«
»Das ist dann der erste Job für Venn. Er soll herausfinden, wo das Ding verkauft wurde und wann. Und an wen.«
»O ja.«
Miles schwirrte der Kopf in einer seltsamen Mischung aus Freude und Bestürzung. Die Freude kam teilweise aus einem Adrenalinhoch, eine vertraute und gefährliche alte Sucht, teilweise aus dem Bewusstwerden der Tatsache, dass ein Quaddie auf ihn geschossen hatte – was ihm ein Argument gab, um Greenlaws Angriff auf seine barrayaranische Brutalität zurückzuschlagen. Auch Quaddies waren Killer, ha! Sie waren bloß nicht so gut darin … Er erinnerte sich an Solian und nahm diesen Gedanken zurück. Ja, und wenn Greenlaw mich nicht selbst in diese Falle gelockt hat … Nun, das war eine hübsche paranoide Theorie. Er schob sie beiseite, um sie erneut zu untersuchen, sobald sich sein Kopf etwas abgekühlt haben würde.
Schließlich mussten ein paar hundert Leute, Quaddies und Transitreisende – alle galaktischen Passagiere der Flotte eingeschlossen –, gewusst haben, dass er an diesem Morgen hierher kommen würde.
Ein Quaddie-Sanitätertrupp traf ein, und auf ihren Fersen – direkt hinter ihnen, Chef Venn. Der Sicherheitschef wurde sofort überschüttet mit aufgeregten Beschreibungen 168
des spektakulären Angriffs auf den kaiserlichen Auditor.
Nur das ursprüngliche Opfer, Miles, war ruhig und stand wartend da mit einem gewissen grimmigen Vergnügen.
Vergnügen war eine Gefühlsregung, die in Venns Gesicht sichtlich fehlte. »Wurden Sie getroffen, Lord Auditor Vorkosigan?«
»Nein.« Zeit, ein gutes Wort einzulegen – wir könnten es vielleicht später gebrauchen. »Dank der
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