Vorkosigan 17 Diplomatische Verwicklungen
ihm her.«
Miles erhob sich ebenfalls und wurde fast ohnmächtig.
Immer noch hyperventilierend stapfte er über zerbrochene Glaskügelchen, Marmorsplitter, halb geschmolzene Messingklümpchen und den Blumensalat um ihr Bollwerk herum. Bel folgte ihm. Auf der anderen Seite der Lobby lag der längliche Kasten, bemerkenswert eingedellt, seitwärts auf dem Boden. Sie knieten sich nieder und starrten darauf.
»Eine automatische Heißnietmaschine«, sagte Bel
schließlich. »Er muss … eine Menge Sicherheitsvorrichtungen abgeklemmt haben, damit das Ding das tut.«
Eine leichte Untertreibung, dachte Miles. Aber es erklärte, warum ihr Angreifer so unsicher gezielt hatte. Das Gerät war konstruiert worden, um seine Nieten mit einer Prä163
zision von Millimetern, nicht Metern auszuwerfen. Dennoch … wenn es dem verhinderten Attentäter gelungen wäre, Miles’ Kopf auch nur für eine kurze Salve im Visier zu behalten – Miles blickte wieder auf den zerschmetterten Marmor –, dann hätte ihn diesmal keinerlei Kryo-Wiederbelebung wieder ins Leben zurückholen können.
Ihr Götter – was wäre gewesen, wenn der Unbekannte
nicht daneben getroffen hätte? Was hätte Ekaterin getan, so weit weg von zu Hause und ohne Hilfe, einen scheußlich geköpften Ehemann im Gepäck, bevor noch ihre Hochzeitsreise überhaupt vorbei war, mit niemand anderem zur Unterstützung dabei als dem unerfahrenen Roic – Wenn man auf mich schießt, in welcher Gefahr befindet dann sie sich?
In verspäteter Panik klopfte er auf seinen Kommunikator. »Roic! Roic, antworten Sie!«
Es dauerte mindestens drei quälende Sekunden, bis Roic antwortete: »Mylord?«
»Wo sind – ach, lassen Sie’s. Unterbrechen Sie, was immer Sie gerade tun, begeben Sie sich sofort zu Lady Vorkosigan und bleiben Sie bei ihr. Bringen Sie sie zurück an Bord …«, er verschluckte der Turmfalke. Wäre sie dort sicherer? Inzwischen wussten allerhand Leute, dass man dort nach den Vorkosigans suchen musste. Vielleicht an Bord der Prinz Xav, die sich in einer sicheren Entfernung von der Station befand, umgeben von Soldaten – Barrayars Besten, Gott helfe uns allen – »bleiben Sie einfach bei ihr, bis ich mich wieder melde.«
»Mylord, was ist los?«
»Jemand hat gerade versucht, mich an die Wand zu nie164
ten. Nein, kommen Sie nicht hierher«, schob er Roics aufkeimenden Protest beiseite. »Der Kerl ist davongerannt, und im Übrigen treffen bereits die Sicherheitsleute der Quaddies ein.« Während er dies noch sagte, kamen zwei uniformierte Quaddies in Schwebern in die Lobby. Auf das Gestikulieren eines der Herbergsangestellten hin stieg einer zügig hoch zum Balkon; der andere näherte sich Miles und seinen Begleitern. »Ich muss mich jetzt mit diesen Leuten befassen. Mir geht es gut. Beunruhigen Sie Ekaterin nicht.
Lassen Sie sie nicht aus den Augen. Ende.«
Er blickte auf und sah, wie sich Dubauer, der eine von Nieten angenagte Marmortrommel untersucht hatte, mit sehr angespannter Miene aufrichtete. Der Hermaphrodit, der die Hand noch an die Wange drückte, war sichtlich erschüttert, als er herüberkam, um sich die Nietenmaschine anzuschauen. Miles erhob sich geschmeidig.
»Entschuldigung, ehrenwerter Herrn. Ich hätte Sie davor warnen sollen, zu nahe neben mir zu stehen.«
Dubauer starrte Miles an. Seine Lippen öffneten sich in momentaner Verwirrung, dann bildeten sie ein kleines O.
»Ich glaube, meine Herrschaften, Sie haben mein Leben gerettet. Ich … ich habe leider nichts gesehen. Bis dieses Ding – was war es denn? – mich getroffen hat.«
Miles bückte sich und hob eine lose Niete auf, eine von Hunderten. Jetzt war sie abgekühlt. »So eine Niete. Bluten Sie noch?«
Der Hermaphrodit nahm das Tuch von der Wange.
»Nein, ich glaube, es hat aufgehört.«
»Hier, nehmen Sie die als Souvenir.« Miles hielt ihm die schimmernde Messingniete hin. »Tauschen wir sie gegen 165
mein Taschentuch aus.« Ekaterin hatte das Tuch eigenhändig bestickt. Es war ein Geschenk von ihr.
»Oh …« Dubauer faltete das Tuch über dem Blutfleck
noch einmal zusammen. »Ach du meine Güte! Ist es wertvoll? Ich lasse es reinigen und gebe es Ihnen dann zurück.«
»Ist nicht notwendig, ehrenwerter Herm. Mein Offiziersbursche kümmert sich um solche Sachen.«
Der Betaner blickte betroffen drein. »O nein …«
Miles beendete den Wortwechsel, indem er hinüberlangte, ihm das feine Tuch aus den Fingern nahm und es wieder in seine Tasche stopfte. Der Hermaphrodit
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