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Vorn

Titel: Vorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Bernard
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spielen. Und die mitgereisten Freunde der Band, die in den Liedern jeden Übergang, jeden Wechsel
     von leise zu laut genau kannten, sprangen im Publikum oft schon einen Moment vor dem überraschenden Break in die Luft, um |48| das aus dem Nichts kommende Lärmgewitter vorwegzunehmen, als die einzig Eingeweihten im Saal.
     
    Die Band und ihr Umfeld waren über die Jahre zum wichtigsten Freundeskreis von Tobias und Emily geworden, vor allem seitdem
     Emily die feste Stelle in dem Jugendzentrum angenommen hatte und nicht mehr im Betreuerteam der Unterkunft arbeitete. Tobias
     war sehr froh darüber, dass sich Emily mit den Band-Leuten so gut verstand und ihre gewohnte Zurückhaltung gegenüber seinen
     Bekannten abgelegt hatte. Sie verabredete sich jetzt sogar manchmal mit Lars oder David, ohne dass Tobias überhaupt dabei
     war. Gerade an solchen Abenden – wenn sie beide zu völlig unterschiedlichen Zeiten im Substanz oder auf einer Party auftauchten;
     wenn einer von ihnen nach Hause ging und der andere ganz selbstverständlich blieb – wusste Tobias, wie gut sie zusammenpassten.
     Denn um sich herum sah er die Paare, die den ganzen Abend über wie aneinandergekettet in einer Ecke hockten und die später
     lautstark in Streit gerieten, weil einer von beiden gehen wollte.
     
    In den Sommermonaten fanden vor der Übungsraum-Baracke von Undone, auf dem Gelände eines alten Militärkrankenhauses, auch
     ständig Feste oder Privatkonzerte statt. Meistens blieb Tobias dort über Nacht, und am nächsten Tag war es dann immer unmöglich,
     den typischen Übungsraumgeruch am Körper loszuwerden; selbst nach dem Duschen und Umziehen schien er noch an der Haut zu kleben.
     Es war ein penetranter Geruch, der von den chronisch überlasteten Röhren der übereinandergestapelten Marshall- und |49| Fender-Verstärker im Raum stammte, von Bier, Zigarettenrauch und abgestandenem Schweiß. Doch wenn Tobias am Mittag nach einer
     solchen Übungsraumparty nach Hause kam, unausgeschlafen, verkatert, war ihm der Geruch nicht völlig unangenehm. Denn er erinnerte
     ihn immer auch daran, welches Leben sie führten, und dass es das richtige war.

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    Es war vielleicht ein halbes Jahr vergangen seit Tobias’ erstem Redaktionsbesuch im Sommer, als das
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endgültig zum Mittelpunkt seines Lebens wurde. Thomas, der Redaktionsleiter, hatte ihm angeboten, für ein paar Wochen die
     Urlaubsvertretung von Susanne Buchner zu übernehmen, also selbst die Rubrik zu betreuen, die ihm am liebsten war, und durch
     seine fast tägliche Anwesenheit in der Redaktion wurde seine Bekanntschaft mit Robert Veith oder Dennis Hagen, der inzwischen
     Carlas Stelle übernommen hatte, rasch enger. Als ständiger Mitarbeiter bekam Tobias jetzt erst richtig mit, wie viele Dinge
     ihn mit den anderen Redakteuren verbanden. Natürlich hatten sie alle dasselbe Interesse an Platten oder Filmen, über die sie
     Woche für Woche Artikel schrieben. Über ihre Arbeit hinaus teilten sie aber, wie Tobias sofort merkte, auch eine grundsätzliche
     Aufmerksamkeit für Mode, Restaurants oder Sport. Ludwig Elsässer etwa, der Schlussredakteur, der bereits Mitte dreißig war,
     hatte früher bei einem großen Gastronomieführer gearbeitet, und er konnte in jedem Viertel Münchens immer sofort ein Restaurant
     empfehlen. Kurz nachdem Tobias die Urlaubsvertretung begonnen hatte, lud ihn Ludwig zu einem großen Geburtstagsessen ein,
     zusammen mit einigen anderen
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- Redakteuren. Das Restaurant in der Nähe des Münchner Flughafens war nobel, hatte offenbar sogar |52| einen Stern, wie jemand sagte, doch Ludwig bezahlte die Rechnung für die ganze Runde. Diese Großzügigkeit verblüffte Tobias.
     
    Ludwig war es auch gewesen, der sich schon früh für die stärkere Einbindung von Tobias in die Redaktion eingesetzt hatte;
     in den Wochen, bevor die Vertretung zustande kam, hatte er ihn im
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ein-, zweimal mit einem komplizenhaften Blick in sein Büro gebeten und ihn gefragt, was er denn in den nächsten Wochen und
     Monaten so vorhabe, ob er sich unter Umständen auch vorstellen könne, noch enger am Heft mitzuarbeiten. Ludwigs Fürsprache
     hing wahrscheinlich auch damit zusammen, dass er vor Jahren bei demselben Germanistikprofessor wie Tobias seinen Abschluss
     gemacht hatte und ihn im
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als eine Art Verbündeten aus einer anderen Welt ansah. Wenn sie in der Schlussredaktion einen Text aus Tobias’ Rubrik besprachen,
     brachte Ludwig, der seinen

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