Vorposten des Commonwealth
verschiedenen Miniatur-Waffen, die ins Gurtband eingenäht waren.
Sie drehte sich so weit wie möglich nach links, warf sich mit ihrem ganzen Gewicht vorwärts und zerrte an dem glatten Riemen um ihr rechtes Handgelenk. Das führte zu nichts anderem, als daß sie von einem plötzlichen Schwindelgefühl befallen wurde. Ihr Körper war schwach vom unbeweglichen Liegen. Die Fessel war kein Leder, es war ein stärkeres Material. Und an ihrem Hinterkopf hatte sie eine Beule, die nicht von ihrer Frisur herrührte.
Eine vertraute Stimme rief leise irgendwo von rechts her.
„Pst! Pilar!“
Das war ihr Deckname. Obwohl ein weiterer Riemen um ihre Kehle lief, gelang es ihr, sich weit genug umzudrehen, um Porsupah zu erblicken, der in einem Trog voller Polypanschaum lag. Er war ebenso sauber verpackt wie die polierte Holzschnitzerei, die York ihr verkauft hatte. Kittens Kopf wurde klar, und sie strengte sich an, so viel zu sehen wie möglich. Wegen der Fessel um ihren Hals konnte sie den Kopf nur ein bißchen heben, ihn aber ungehindert von links nach rechts drehen. Trotz seiner Festigkeit fühlte sich der Riemen immer noch wie feines Leder an und scheuerte nicht. Allerdings bezweifelte sie, daß das Material aus Sorge um ihre Gesundheit ausgewählt worden war.
Als sie hochblickte, sah sie einen alten Mann. Er saß auf einem erhöhten Sessel am Fuß der Bank. Er war in grelle, sich beißende Farben gekleidet. Grauweißes Haar war in der Mitte gescheitelt, zu beiden Seiten glattgekämmt und hinten zu einem Schweineschwänzchen zusammengebunden. Kitten konnte sich nichts Widerwärtigeres vorstellen als die geheuchelte höfliche Besorgtheit, mit der er sie betrachtete. Sie hätte ein echtes lüsternes Sabbern vorgezogen.
Er war ein häßlicher alter Mann. Nicht, daß seine Züge besonders abstoßend gewesen wären; das waren sie nicht. Aber die Aura des Bösen, die er um sich trug, war so deutlich wahrnehmbar wie faulende nasse Vegetation. Manche Leute vermitteln einem ein angenehmes Gefühl, manche ein scheußliches. In diesem Fall war es ein scheußliches.
„Hallo, meine Liebe“, sagte er. Die Stimme war hoch und beinahe mädchenhaft, hatte aber nichts Altes an sich – kein Zittern und ganz bestimmt keine Schwäche. Sie klang auch nicht ein kleines bißchen großväterlich, obwohl der Mann sich offenbar Mühe gab, diesen Eindruck zu erwecken. „Ich freue mich zu sehen, daß Sie wieder wach sind. Erlauben Sie mir, mich Ihnen vorzustellen.“
„Nicht bevor Sie mich und meinen Freund von diesen lächerlichen Fesseln befreit haben!“ Kitten legte soviel Eis wie möglich in ihre Stimme, doch den alten Mann fror davon nicht. „Und nicht bevor Sie uns eine Erklärung gegeben haben. Dann werde ich Ihnen vielleicht insoweit verzeihen, daß ich bereit bin, Ihre Bekanntschaft zu machen. Sie wickeln Ihre Geschäfte auf eine sehr merkwürdige Weise ab.“
„Ich habe den Verdacht, meine Liebe, daß Sie meine Geschäfte nicht vom Standpunkt des Kunden aus betrachten. Inzwischen sollten Sie erraten haben – ob Sie mir ‚verzeihen’ oder nicht –, daß mein Name Dominic Rose ist, mein Titel Lord und daß Sie sich augenblicklich zwar als Gefangene, aber immerhin auf meinem eigenen Wohnsitz einige hundert Kilometer von Repler City entfernt befinden. Und was das Lösen Ihrer Fesseln betrifft, so habe ich augenblicklich auf meiner privaten Krankenstation zwei Piloten in Behandlung. Der eine hat eine gebrochene Kniescheibe, der andere sechs parallellaufende Wunden in seinem Bauch, die ihm Ihr Gefährte hier, so niedlich er aussieht, beigebracht hat.“
„Dafür entschuldige ich mich“, fiel Porsupah ein. „Ich hatte nach seinen Augen gezielt, aber er rutschte aus. Mit dieser Ungeheuerlichkeit kommen Sie nicht durch, und dann werde ich den Kopf dieses Bauern und mein Onkel seine Ohren fordern!“
„Sie werden nichts erreichen, als Ihre Existenz zu verkürzen, wenn Sie darauf bestehen, meine Leber in Aufruhr zu bringen, Tolianer. Die Realität Ihres Onkels ist suspekt. Nun denn –“ er wandte sich wieder Kitten zu „– wenn Sie mir einfach erzählen, wer Sie und Ihr Freund sind, können wir vielleicht die Sache reinlich erledigen. Außerdem möchte ich gern wissen, für welche Regierung oder welchen meiner Konkurrenten Sie arbeiten.“
„Ich verstehe nicht, warum Sie meine Identität anzweifeln“, entgegnete Kitten giftig. „Bestimmt haben Sie doch inzwischen unsere persönlichen Effekten durchgeschnüffelt!“
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