Vorsätzlich verliebt
unterscheiden zu können. »Nichts. Es ist eine dieser billigen Flohmarktimitate. Sehen Sie hier die unregelmäßige Naht? Und die schiefe Seitentasche? Und es ist auch kein Leder, sondern Plastik.«
Und beinahe wäre es auf einer Wohltätigkeitsauktion gelandet. Wie schrecklich.
»Aha. Nun, danke. Mist.« Die Frau seufzte schwer.
»Es tut mir wirklich leid.«
»Ach, es ist ja nicht Ihre Schuld. Ich wage zu behaupten, dass ich mir etwas anderes einfallen lassen werde. Positiv betrachtet, bedeutet es aber, dass ich mich nicht schuldig fühlen muss, wenn ich das Geschenk entsorge! Unter uns, ich kann die Schwiegermutter meines Sohnes sowieso nicht ausstehen. Sie prahlt immer mit ihren Millionen. Schreckliche Frau. Aber genug von ihr. Wir können mir wenigstens ein Kleid für heute Abend suchen.« Sie verstummte, runzelte die Stirn und sah Kaye genauer an. »Ich denke dauernd, dass wir uns schon einmal begegnet sind. Aber das sind wir nicht, oder?«
»Ich glaube nicht.«
»Sie kommen mir bekannt vor. Haben Sie schon einmal in einem anderen Geschäft gearbeitet?«
»Äh, nein.« Kaye durchsuchte den Ständer mit den Abendkleidern und zog ein stattliches Taftkleid in Mitternachtsblau hervor. »Wie wäre es mit diesem hier? Die Farbe würde Ihnen stehen …«
»Aus einem Hotel? Einem Restaurant? Auch Ihre Stimme kommt mir bekannt vor.« Die Frau schüttelte nachdenklich den Kopf. »Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, aber … ich glaube, ich habe Sie weinen sehen.«
»Nun, ich habe in den letzten Jahren in den Staaten gewohnt.«
»Wir haben letztes Jahr einen Monat in Texas verbracht! Waren Sie auch dort?«
»Nein, ich war in Los Angeles. Ich bin Schauspielerin«, sagte Kaye.
»O Mann!
Over the Rainbow!
« Die Frau quietschte begeistert auf. »Wir haben Sie immer in dieser Serie gesehen, Sie waren die, deren Ehemann mit Ihrer Schwester durchbrannte.«
»Das stimmt.« Kaye lächelte, weil ihr keine Sekunde lang der Gedanke gekommen war, diese Frau könnte ein Fan der Serie sein.
»Oh, wir haben
Over the Rainbow
geliebt! Man stelle sich vor, eben waren Sie noch in der Serie, und jetzt sind Sie hier!« Die Frau klatschte verzückt in die Hände, zeigte nicht das geringste Interesse an dem Kleid, das Kaye für sie ausgesucht hatte. »Wissen Sie, was? Das muss Schicksal sein!«
Schicksal? Echt jetzt? »Warum?«
»Weil Sie eine berühmte Hollywoodschauspielerin sind! Und Sie könnten mir einen riesigen Gefallen erweisen.«
Kaye sah sie misstrauisch an. Sie besaß nur eine einzige gute Designerhandtasche, und die liebte sie heiß und innig. Wohltätigkeit hin oder her, sie dieser Frau zu überlassen, würde ihr das Herz brechen.
Vorsichtig fragte sie: »Was für einen Gefallen?«
»Nun, ich stecke ja nur deshalb in der Bredouille, weil diese Frau ihr Angebot für unsere Wohltätigkeitsauktion zurückgezogen hat. Antonella Beckwith. Die Sängerin. Haben Sie von ihr schon mal gehört?«
Das war ein wenig, wie wenn man sagte:
Die Rolling Stones? Das ist eine Band, oder? Schon mal von denen gehört?
Denn Antonella Beckwith war eine junge, superglamouröse Sängerin, die in den letzten beiden Jahren ungefähr fünfzig Millionen Alben verkauft hatte. Kaye nickte. In ihren Eingeweiden machte sich Angst breit.
»Nun, ich persönlich kann nicht behaupten, dass ich zuvor schon von ihr gehört hätte. Aber offenbar konnten wir von Glück sagen, sie zu kriegen. Eine ihrer Tanten ist eine Freundin von einer unserer Organisatorinnen, und die beiden haben das ausgehandelt. Nur dass diese junge Frau uns jetzt zwei Wochen vorher einfach abgesagt hat. Anscheinend wurde ihr etwas in London angeboten, was mehr Öffentlichkeitswirksamkeit bringt, darum hat sie unsere kleine Wohltätigkeitsauktion wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Und seitdem zermartern wir uns das Hirn, woher wir einen anderen Star bekommen sollen, aber alle, die wir angesprochen haben, hatten schon andere Verpflichtungen. Was heißt, dass wir jetzt ganz offiziell verzweifelt sind!«
»Also gut, zwei Dinge«, sagte Kaye. »Zum einen bin ich keine Berühmtheit. Jedenfalls hier nicht. Niemand weiß, wer ich bin.«
»Ich weiß, wer Sie sind! Und mein Mann auch! Wir erzählen allen, dass Sie ein Hollywoodstar sind!«
Na gut. So weit, so absolut peinlich.
»Die andere Sache ist, dass ich vor kurzem eine Art Unfall hatte und es sehr viel schlechte Presse gab.« Kaye zog eine Grimasse. »Und aus diesem Grund spiele ich jetzt auch nicht mehr in
Over the
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