Vorsätzlich verliebt
tun konnte.
Also gut, atmen. Atmen. Natürlich tat es weh, aber war es auf lange Sicht nicht viel sicherer, wenn man Distanz wahrte? Das war es zweifellos. Und immer weiteratmen. Diese Methode war sehr viel weniger schmerzvoll als die Alternative.
Aber das war jetzt auch egal. Der Pfarrer machte sich bereit, mit dem Trauergottesdienst zu beginnen. Da kamen Fergus und Erin. Sie waren die Letzten, die die Kirche betraten, gingen langsam Seite an Seite den Gang entlang, ganz anders als bei einer Hochzeit. Ironischerweise war Fergus ja jetzt Witwer. Erin hielt sich wacker, biss sich jedoch beim Anblick von Stellas Sarg auf die Unterlippe. Nachdem sie sich in die erste Reihe gesetzt hatten, räusperte sich der Pfarrer und signalisierte der Organistin, dass sie mit Spielen aufhören konnte.
Es war nun an der Zeit, sich von Stella Welch zu verabschieden.
Hinterher war es ziemlich voll im Fox, nicht zuletzt weil die Trauerfeier für drei Uhr nachmittags angesetzt war. Hinterher hatte keiner mehr das Bedürfnis, an seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. Es schien weitaus wünschenswerter, den Druck der Sterblichkeit mit ein paar Drinks zu mildern. Außerdem war es immer ein Schlag, wenn jemand, den man kannte, noch vor seinem vierzigsten Geburtstag starb. Mein Gott, vierzig war doch gar nichts. Plötzlich wurde einem klar, dass man nicht davon ausgehen konnte, eines Tages Rentner zu sein. Jedem konnte jederzeit alles zustoßen. Diese Aussicht führte zu einer Atmosphäre der Unbekümmertheit, wie sie aus Kriegszeiten berichtet wurde. Tilly sah vom Rand zu, wie Stellas Single-Freundinnen sich sichtlich anstrengten, mit den zur Verfügung stehenden Männern zu flirten. Eine exotisch aussehende junge Frau mit hüftlangen schwarzen Haaren belegte Jack mit Beschlag. Auch die Mitarbeiter von Fergus’ Immobilienbüro gerieten ins Visier. Nicht einmal Declan, der hinter der Theke jede Menge zu tun hatte, blieb verschont. Alle tranken etwas schneller als sonst. Tja, warum auch nicht?
Als sich eine der Kellnerinnen mit einer offenen Flasche Moët näherte, hielt Tilly ihr leeres Glas hin. Kaye hatte angeboten, Lou von der Schule zu holen, darum durfte sie das. Sie stellte fest, wie ihr Blick wieder zu Jack wanderte.
»Alles in Ordnung, Süße? Einen Penny für deine Gedanken.«
Tilly drehte sich um, lächelte Fergus an und beschloss spontan, ihm nicht zu erzählen, wer genau ihr derzeit einfach nicht aus dem Kopf gehen wollte. »Ich dachte gerade, wie sehr Stella sich über das hier alles freuen würde.«
»Das würde sie.« Fergus nickte zustimmend. »Das ist größtenteils Erin zu verdanken. Sie hat alle zusammengekarrt. Erin ist einfach unglaublich.«
»Natürlich ist sie unglaublich. Sie ist ja auch meine beste Freundin.« Tilly sah wohlwollend zu Erin, die auf der anderen Seite des Raumes mit einer korpulenten grauhaarigen Frau in den Sechzigern redete. »Du kannst von Glück sagen, sie zu haben.«
»Sie hat Schuldgefühle. Die haben wir beide. Keine erbittert kämpfenden Anwälte, keine teure, schmutzige Scheidung. Jetzt können wir einfach heiraten, wann immer wir wollen. Und
ich
will auch, aber Erin sagt, wir können nicht, weil das nicht gut aussähe. Sie will nicht einmal darüber reden. Sie sagt, sie will nicht, dass die Leute uns Charles und Camilla nennen … O hallo, wie schön von Ihnen, dass Sie gekommen sind …«
Fergus wurde von dem Mann, der die Antiquitätenhandlung ein paar Häuser von Stellas Laden entfernt führte, in die Ecke gezogen. Tilly entfernte sich diskret und ging zu Erin hinüber.
»Tja, wenn Fergus nicht wieder in das Haus zieht, dann, hoffe ich, wird es an eine nette Familie gehen. Wir wollen keine rüpelhaften Teenager auf Skateboards.« Die einschüchternde Stimme gehörte einer von Stellas Nachbarinnen. Tilly erinnerte sich, dass sie sie einmal über den Zaun hinweg gehört hatte, als sie an der Reihe gewesen war, Bing zu füttern.
Erin nickte, sah ein wenig aus wie ein ängstliches Tier in der Falle. »Ich werde es Fergus ausrichten. Ich bin sicher, er tut sein Bestes.«
»Und was ist mit dem Kater? Wer bekommt Bing?«
Nervös sagte Erin: »Äh … nun ja, wir werden ihn wahrscheinlich …«
»Stella wollte, dass er ein gutes Zuhause bekommt«, warf Tilly rasch ein. »Das war ihr letzter Wunsch.«
»Ach ja?« Das Doppelkinn der Frau erbebte. »Nun, ich frage aus dem einfachen Grund, weil es mir nichts ausmachen würde, ihn aufzunehmen, wenn Sie sonst noch niemanden
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