Vorsaison
mir
herüber und ich betrachtete ihn. Er sah wirklich gut aus. Frisch rasiert und
mit glänzenden Haaren, so als ob er gerade erst aus der Dusche gesprungen wäre.
Seine Nägel waren manikürt, sein dunkler Anzug saß perfekt und seine Schuhe waren
auf Hochglanz poliert. Ich mochte seinen Geruch und stellte fest, dass sein
Geruch mich jedoch nicht an Alonso erinnerte, obwohl Alonso eigentlich genauso
roch — das alles war jedenfalls sehr verwirrend.
Corinna und die beiden Schottinnen
beobachteten derweil unser Geflüster und Geturtel. Was soll‘s, dachte ich, immerhin ist das eine Bar und ich werde dafür bezahlt, nett zu den Gästen zu
sein! Dann rauschte Corinna an uns vorbei und rief Paco zu, sie ginge erst
mal zum Essen! Gleichzeitig ging die Tür auf und drei Spanier kamen herein.
Paco rief Corinna deshalb zu, dass sie jetzt nicht einfach so weggehen
könnte! Doch Corinna ignorierte ihn einfach so — und dann war sie auch
schon draußen. Die Schottinnen stürzten sich sogleich auf die drei
Neuankömmlinge und Rosi nahm wie gewohnt ihren Platz beim WC ein. Adelio atmete
auf.
>>Nun sind wir jedenfalls nicht
mehr wie Zielscheiben<<, sagte er. Doch die Neuankömmlinge waren ziemlich
laut, sodass wir nun unser eigenes Wort nicht mehr verstehen konnten.
>>Wie wär’s, wenn wir ins Séparée
gehen?<<, schlug Adelio daraufhin vor. Ich schüttelte empört den Kopf.
>>Ich bitte dich — Sabrina<<,
sagte Adelio und lachte mich aus. >>Ich würde niemals mit dir in einer so
tristen Umgebung wie einem Séparée schlafen wollen! Aber viel
heruntergekommener wie hier kann es dort auch nicht sein und zumindest könnten
wir uns dort in Ruhe unterhalten.<<
Adelio sah mich entspannt an, als ich
jedoch immer noch nichts sagte, legte er eine Hand auf seine Brust und hob die
andere mit gespreiztem Zeige- und Mittelfinger: >>Großes
Ehrenwort<<, sagte er und grinste verschmitzt.
>>Du weißt aber schon, was eine
Copa im Séparée kostet<<, antwortete ich schließlich.
Adelio lachte bloß. Dann sah er mich
nochmals auffordernd an und als ich nickte, gab er Paco ein Zeichen. Anstatt
einer normalen Copa, bestellte Adelio jedoch einen Piccolo fürs Séparée. Selbst
Paco glaubte zuerst, sich verhört zu haben. Doch dann eilte er hocherfreut zum
Kühlschrank. Ich wusste, dass eine normale Copa im Séparée 5.000 Pesten
kostete, hatte aber keine Ahnung, wie viel Adelio dort für einen Piccolo
bezahlen müsste.
Nachdem mein neuer Piccolo auf dem
Tresen stand, und das, obwohl die alte Flasche noch nicht ansatzweise leer war,
nahm auch Adelio sein Glas mit Ballantine’s und ließ mir galant den Vortritt.
Wir hatten freie Wahl, denn beide Séparées waren unbesetzt. Wir entschieden uns
für das hintere. Der kleine Raum war in schummrig rotes Licht getaucht. An drei
Wänden standen rote Polstergarnituren, die wohl extra für diesen Raum
angefertigt worden waren, denn sie reichten genau von Ecke zu Ecke. In der
Mitte stand ein kleiner, runder Tisch. So also sah Rosis Arbeitsrevier aus ,
dachte ich so bei mir und ekelte mich ein wenig, als ich mich auf dem Sofa gleich
rechts niederließ. Adelio sah sich ebenfalls einen Augenblick um.
>>Bist du schon mal hier drin
gewesen?<<, fragte er dann.
Ich schüttelte empört den Kopf.
>>Ist das andere Séparée vielleicht besser?<<
>>Adelio, woher soll ich das
wissen — aber ich befürchte nicht!<<
Adelio lachte und sagte, wenn er das
jemals jemandem erzählen würde, würde man ihm nicht glauben. Er setzte sich auf
das Sofa gegenüber dem Eingang zum Séparée, sodass wir über Eck saßen. Adelio
betrachtete mich amüsiert. Er wusste, ich fühlte mich unbehaglich.
>>Was ist das nur mit dir?<<,
fragte er dann. >>Auf der einen Seite spüre ich genau, dass du mich — wie
sagt man das-? geil-? — findest und auf der anderen Seite zierst du dich.
Dabei kaufe ich dir diese Unschuldsnummer nicht mal ab!<<
Adelio hatte es sich bequem gemacht,
die Beine übereinandergeschlagen und einen Arm über die Rückenlehne gelegt, so
als ob es ihn nicht störte, welche Substanzen aller Wahrscheinlichkeit
nach in den Polstern nisteten. Er fragte mich, ob es OK sei, wenn er seinen
Schlips lockerte und ich nickte. Adelio nahm ihn jedoch ganz ab, faltete ihn akkurat
zusammen und steckte ihn in die Tasche seines Jaquettes. Dann öffnete er die
ersten drei Knöpfe seines blütenweißen Hemdes. Ich wusste nicht, ob er dies
wirklich nur aus Bequemlichkeit tat und konnte mir trotz der Situation und
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