Vorsaison
wachzubekommen. Mit der Zeit fing jedoch
die ganze Wohnung an, nach Peter oder nach Alkohol oder irgendetwas süßlich-fauligem
zu riechen, selbst kräftiges Lüften oder Raumspray halfen nicht. Auf meine
Frage, wie lange Peter denn noch bliebe, sagte Ernie nur beiläufig, dass es
jetzt wohl nicht mehr allzu lange dauern würde. Auch ihn nervte der Geruch, bei
dem es sich meiner Meinung nach um Ausdünstungen handelte, aber er beschwerte
sich nicht ein einziges Mal bei Peter darüber. Ich hielt meine Zimmertür
deshalb nun immer geschlossen und das Fenster in meinem Zimmer war Tag und
Nacht gekippt.
Trotzdem konnte es so nicht
weitergehen und ich las nun jede Woche die Anzeigen in der Stadtzeitung , auf
der Suche nach einem kleinen piso. Wohnungen gab es auch tatsächlich
genug, nur lagen sie entweder zu weit außerhalb, z.B. in Fenals oder sie
befanden sich in irgendeinem Wohnsilo, wo es immer sehr laut zuging. Ganz
abgesehen davon, dass die meisten pisos auch noch total heruntergekommen
waren und das Mobiliar eigentlich auf den Sperrmüll gehört hätte. Unmöblierte
Wohnungen gab es anscheinend überhaupt nicht zur Miete und Ernie erklärte mir,
dass selbst Kaufobjekte oftmals noch möbliert angeboten wurden. Er verstand
nicht, dass ich ausziehen wollte und sagte, ich solle doch erst einmal
abwarten. Eigentlich hatte ich auch nichts gegen Peter und er schien wirklich
ganz OK zu sein, aber dieser üble Geruch, von dem ich überzeugt war, dass er
mit Peters Alkoholkonsum zusammenhing, war auf Dauer wirklich eine Zumutung!
Meist stand Peter gegen sieben Uhr in der Küche und kochte, wenn ich mich für
die Arbeit zurechtmachte. Ich hätte bei dem Geruch jedoch keinen Bissen
herunterbekommen und aß deshalb nun prinzipiell außer Haus. Kochen und
Schachspielen schienen jedoch die einzigen beiden Dinge zu sein, für die sich
Peter neben seiner Biertrinkerei noch begeistern konnte. Aber er hatte sich wenigstens
angewöhnt, nun jedes Mal die leeren Flaschen gleich wieder mit zum Supermarkt
zu nehmen, wenn er zum Einkaufen fuhr. Ich schätzte seinen Bierkonsum auf 50
bis 60 Flaschen pro Tag und fragte mich mehr als einmal, wie lange der
menschliche Organismus dies wohl durchhalten könnte. Allzulange konnte es bei
Peter jedoch nicht mehr dauern, denn Peter sah jetzt schon aus, wie der
wandelnde Tod. Außerdem wurde er von Tag zu Tag dünner. Zwar kochte er, aber
selbst aß er kaum etwas. Dafür rauchte er, wenn auch nicht sehr viel. Aber
dafür, dass er kaum rauchte, hustete er wiederum ziemlich viel und sein Husten
schien ebenfalls von Tag zu Tag schlimmer zu werden.
Eines Abends fasste ich mir ein Herz
und sprach Peter auf seine schlechte körperliche Verfassung an. Er stand
wiedermal in der Küche und bereitete gerade einen Sauerbraten vor. Das Pferdefleisch
hatte dazu eine Woche lang im Kühlschrank, eingelegt in Essig und Kräuter, vor
sich hingegammelt und mittlerweile hatte auch der Kühlschrank einen
eigentümlichen Geruch angenommen. Peter schwärmte, weil man hier noch überall
problemlos Pferdefleisch kaufen konnte, während er rohe Kartoffeln für die
Klöße rieb.
>>Aus dir wäre besser ein
Mädchen geworden<<, sagte ich zu ihm. >>So gerne, wie du kochst,
wärst du die perfekte Hausfrau geworden.<<
Peter lachte und meinte, Kochen sei
halt schon immer sein Hobby gewesen. Allerdings mache es keinen Spaß, wenn man
nur für sich alleine kochen würde.
>>Früher habe ich an den
Wochenenden oft für meine Familie gekocht<<, sagte er.
Es war das erste Mal, dass er über
etwas Privates sprach, jedenfalls mit mir.
>>Ich wusste gar nicht, dass du
Familie hast<<, sagte ich überrascht. Peter hatte die Kartoffel zu Ende
gerieben und nahm erst einmal einen kräftigen Schluck Bier. Dann nickte er.
>>Doch, aber sie sind beide
tot.<<
So erfuhr ich, dass Peter vor fast
zwanzig Jahren seine Frau und seine Tochter bei einem Autounfall verloren
hatte. Seine Frau hatte die Tochter von einer Feier abgeholt. Auf dem Rückweg
war ihnen dann ein Betrunkener entgegen gekommen und war frontal mit dem Wagen
seiner Frau zusammengestoßen. Ich machte ein erschrockenes Gesicht.
>>Die beiden waren auf der
Stelle tot und der Falschfahrer zum Glück auch!<< sagte Peter.
Ich wusste gar nicht, was ich daraufhin
hätte erwidern können und war wie geschockt. Bislang war ich noch nie so direkt
mit einem solch schweren Verlust oder Schicksalsschlag konfrontiert worden und
murmelte, dass es mir Leid täte.
>>Das muss es
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