Vorsaison
mich, als sei
ich nach Hause zurückgekehrt und freute mich, dass bis jetzt alles so gut
geklappt hatte.
Inzwischen war auch der dicke Detlef
im „Hollywood“ eingetroffen und fiel gleich über Babs und mich her:
>>Waaaaahnsinnnnnnn — mitten im Winter zwei deutsche giris . Und
dazu noch zwei hübsche!<<, donnerte er mit Wiener Dialekt. Die
Bezeichnung dick war in Bezug auf Detlef auch nicht übertrieben und
abgesehen von seiner stattlichen Größe von gut zwei Metern wog er mit
Sicherheit 200 Kilo! Wir erfuhren, dass er 100% echte Lammfelldecken verkaufte,
wobei die Betonung immer besonders auf dem Wort echte lag. Zu diesem
Zweck arrangierte er sogenannte Kaffeefahrten. Im Moment bestanden seine Käufer
allerdings hauptsächlich aus gebrechlichen alten Franzosen und seine Geschäfte
gingen dramatisch schlecht, bekundete er. Dabei blickte er vorwurfsvoll zu
Hermann und Maurice, seinen beiden Topverkäufern, und heulte, dass niemand
Mitleid mit ihm hätte — alle dächten sie nur ans Ficken, nur er müsse ständig
ans Essen denken.
Detlef war in seiner Ausdrucksweise ordinär
und seine Gestik immer entsprechend theatralisch. Er hatte einen bissig
schwarzen Humor und innerhalb von Minuten kannte er den wunden Punkt einer
Person. Dann hörte er auch nicht mehr auf, darauf herumzuhacken! Außerdem
musste er alles ins extreme steigern oder dramatisieren. Dennoch war er auch
ein hervorragender Alleinunterhalter und Witzeerzähler und ich hörte gern
seinen Wiener Dialekt. So erzählte ich ihm, dass auch ich vorhatte, meine Zelte
in Lloret aufzuschlagen und dabei war, Spanisch zu lernen. Detlef, der
ebenfalls Spanisch sprach, stellte mich sogleich auf die Probe und sagte
anschließend, das hätte ich nie und nimmer in nur drei Monaten gelernt. Dann
schimpfte er auf Hermann, der jetzt schon ein halbes Jahr hier herum lungere,
seine Kunden vergraule und noch nicht halb so viel Spanisch in dieser Zeit
gelernt hatte wie ich — und dabei war ich doch bloß eine Frau! Hermann brach daraufhin
sogleich in schallendes Gelächter aus, weil er es einfach immer gut fand, wenn
Frauen abgekanzelt wurden. Detlef aber entschuldigte sich sogleich überschwänglich
für den Ausrutscher.
Maurice hingegen konnte nicht
verstehen, was ich an Lloret so besonderes fand und sagte, ich wäre in
Deutschland doch viel besser dran. Ich fragte ihn, was er denn hier mache, wenn
er Lloret eigentlich nicht mochte. Außerdem hatte er, wie ich mittlerweile
wusste, selbst eine Zeitlang in Deutschland gelebt — warum war er nicht dort
geblieben, wenn es ihm dort so gut gefallen hatte? Maurice antwortete, bei ihm
seien die Umstände anders und erzählte, dass er in Frankreich aufgewachsen sei.
Seine Mutter war Französin. Sein Vater hingegen stammte aus Algerien. Später hatte
man ihn auf ein Schweizer Internat geschickt, wo er auch Deutsch lernte, bevor
er dann in Deutschland Maschinenbau studierte. Was machte jemand mit einer
Ingenieursausbildung bei einem Verkaufsveranstalter wie Detlef? War Maurice für
diesen Job nicht überqualifiziert? Doch dazu wollte sich Maurice nicht äußern.
Er sagte nur, die einzigen Touristen um diese Jahreszeit wären Rentner aus Frankreich
oder Deutschland, und Rentner kauften eben gerne warme Decken aus Lammfell! Und
da er nun mal Französisch und Deutsch spräche, genau wie Hermann, wären sie die
perfekten Verkäufer.
Mittlerweile war es spät geworden,
doch ich war so in mein Gespräch mit Maurice vertieft gewesen, dass ich kaum
etwas von dem Geschehen um mich herum mitbekommen hatte. Nur dass Alonso ein paarmal
an uns vorbeigegangen war, hatte ich bemerkt. Dabei konnte ich spüren, wie er
mich jedes Mal angesehen hatte. Ich versuchte immer noch Maurice‘ Augenfarbe zu
definieren und zeigte Alonso auch ganz bewusst die kalte Schulter. Maurice
Augen waren jedenfalls nicht braun, aber dunkel und dennoch so klar, dass man
sehr tief hineinsehen konnte — aber das fand ich, ehrlich gesagt, erst später
heraus.
Dann mischte sich Detlef in unser
Gespräch ein und erklärte, er habe einen ausgewachsenen Hunger. So kam
ich zum ersten Mal ins „El Reno“. Detlef fuhr einen riesigen, schon etwas aus
der Mode gekommenen Citroën. Maurice hatte ein eigenes Auto, welches Detlef als
lächerlich bezeichnete. Lauthals brüllte er, dass so ein Vehikel den Namen
PERSONENKRAFTWAGEN überhaupt nicht verdiene. Detlef nannte den Wagen nur die
Cornedbeef-Dose, weil es sich um einen alten Mini Cooper handelte.
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