Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vorsaison

Vorsaison

Titel: Vorsaison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Weitzels
Vom Netzwerk:
die
Tränen über das Gesicht liefen. Zeitweise erzählte Detlef sich selbst lauthals
Witze, dann trällerte er Arien, rezitierte ganze Passagen aus den Nibelungen oder
erzählte sonstigen Schwachsinn. An Sex oder Schlafen war bei dem Lärm sowieso
nicht zu denken und so lagen wir im Bett und lauschten. Detlef war der geborene
Komödiant und seine Witze waren wirklich gut. Maurice erklärte zwar, er habe
jeden einzelnen schon mindestens 100 Mal gehört, aber für mich waren sie alle
neu und Maurice ließ sich schließlich von meiner Kicherei immer wieder
anstecken. Die Höhepunkte dieser Vorstellung waren jedoch die Momente, wo wir
Hermann hörten, wie er wiedermal die Treppe hinauf flitzte und Detlef mal
anbrüllte, mal fast weinerlich flehte, er solle doch endlich Ruhe geben und die
Klappe halten!
    >>Der kapiert es nie<<,
flüsterte Maurice und schüttelte den Kopf. Maurice erklärte mir, dass Detlef
keine Ruhe geben würde, solange er davon ausgehen konnte, dass noch jemand wach
war, der sich ganz offensichtlich an seinem Benehmen störte. Detlef würde erst
Ruhe geben, wenn der eigene Schlaf ihn überwältigte — und das konnte dauern! Hermanns
Zimmer lag gleich neben dem von Maurice und leise fuhr er fort, dass Detlef ein-
zweimal im Monat so einen Rappel bekam und dies auch nichts mit seinem übermäßigen
Alkoholkonsum zu tun hätte. Angeblich soff Detlef jede Nacht mindestens eine
Flasche Whiskey. Nein, es wurde nur mal wieder Zeit, dem Dicken eine Braut aus
dem „Eros Center“ zu besorgen, bemerkte Maurice.
     
    Irgendwann wurde es der Dicke jedoch
leid und plötzlich, als es draußen schon taghell war, wurde es ruhig.
    >>Im schlimmsten Fall hat er
gerade einen Herzinfarkt oder einen Gehirnschlag bekommen<<, sagte
Maurice und weil ich immer noch aufgedreht war, bekam ich gleich wieder einen
Lachkrampf. Fast augenblicklich hörten wir dann, wie nebenan ein Bett anfing zu
quietschen und etwas immer gegen die Wand stieß, wahrscheinlich ein
Bettpfosten. Doch auch diese Geräusche, begleitet von einem, wie ich fand,
ziemlich aufgesetztem Stöhnen verstummten schon nach wenigen Minuten. Das
brachte mich jedoch erneut zum Lachen und mittlerweile tat mir von dem ganzen Lachen
auch der Bauch weh. Außerdem war ich hundemüde und ich stäubte mich ehrlich
gesagt auch dagegen, es Babs und Hermann nachzumachen. In Maurice‘ Zimmer stand
auch nur ein relativ schmales Ein-Personen-Bett, das auch noch ein wenig zu
kurz war — selbst für mich. Wer jemals in der damaligen Zeit oder noch früher
in Spanien war, weiß nur zu gut wovon ich rede: die Matratzen viel zu weich und
die Betten viel zu kurz! Deshalb sagte ich zu Maurice, dass ich ihn auch nicht auslachen
würde, wenn er jetzt einschliefe. Erstens könnte ich gar nicht mehr lachen und
zweitens fielen mir ebenfalls schon die Augen zu. Und so nahm Maurice mich in
den Arm und innerhalb von Sekunden waren wir eingeschlafen. Selten habe ich jedoch
so gut geschlafen und mich dabei so wohl gefühlt, was nicht an der 100% echten
Lammfelldecke lag!
     
    Gegen Mittag klingelte dann leider
ein Wecker, nach höchstens zwei oder drei Stunden Schlaf. Es war Sonntag und
Maurice sagte mir, dass für 14.00 Uhr die erste Verkaufsschau angesetzt wäre. Als
ich kurz darauf nach oben in den Salon kam, steckte Detlef gerade seinen Kopf
durch die Durchreiche zur Küche und fragte, ob ich frischen Kaffee wollte. Ich
nickte. Dafür, dass er sich in der Nacht so verausgabt hatte, klang er
unglaublich fit und seine Stimme war noch genauso dröhnend wie in der Nacht. Maurice
stand unter der Dusche und bevor er und Detlef los mussten, fuhren die beiden
mich zu Ernie. Hermann hatte seine Tür von innen verriegelt und Detlef sagte,
es hätte eh keinen Zweck darauf zu bestehen, dass er mitkäme. Nach einer
durchzechten Nacht sähe Hermann immer aus, wie ein krebskrankes, gelbes
Gummibärchen und würde die Kunden eher vergraulen, als sie zum Kauf zu animieren
— außer vielleicht zum Kauf von Kölnisch Wasser und das auch nur, um sich nicht
länger Hermanns Ausdünstungen aussetzen zu müssen. Detlefs Zunge war jedenfalls
rasiermesserscharf.
     
    Wie ich später erfuhr, beschäftigte
Detlef eine ganze Reihe von Personal, das bei den Verkaufsveranstaltungen half
und auf Provisionsbasis bezahlt wurde. Außerdem erzählte Detlef mir, dass er
sogar eine eigene Musikkapelle unter Vertrag habe. In der Regel fanden diese
Verkaufsveranstaltungen in den Hotels statt. Detlef lud dabei zu

Weitere Kostenlose Bücher