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Vorsaison

Vorsaison

Titel: Vorsaison Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Weitzels
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Andalusier, weil die es auch gewohnt seinen, schlecht bezahlt zu
werden. Ernie erklärte, dass die Andalusier eine andere Art von Gastarbeiter
seien. Auch sie kämen nur in der Saison nach Katalonien und im Winter kehrten
sie zurück in den Süden Spaniens. Als Propperin oder guia könnte ich da
schon wesentlich mehr verdienen. Ich wusste, dass guia der spanische Ausdruck
für Reiseleitung war. Ernie riet mir, statt in die Hotels, in die
ortsansässigen Reisebüros zu gehen, welche auch die Exkursionen zu den
nahegelegenen Sehenswürdigkeiten und Tagesausflüge, zum Beispiel nach Barcelona
organisierten. Dort hätte ich mit meinen Sprachkenntnissen mehr Glück, einen
Job als Reiseleiterin oder Tippse zu finden. Ich beschloss seinen Rat zu
beherzigen, wollte mich aber trotzdem auch nach wie vor in den Hotels bewerben.
     
    >>Wie ist es denn mit einem Job
im Hollywood?<<, fragte ich Ernie. Aber er schüttelte gleich den Kopf,
womit ich schon fast gerechnet hatte. Das „Hollywood“ beschäftige so wie die
meisten Discotheken, nur männliche Propper und im Service arbeiteten nur
Spanier und Spanierinnen — zumeist aus Andalusien! Ernie sagte aber, dass ich
auf jeden Fall einen Job als Propperin fürs „Happy Day“ bekommen könnte.
Allerdings öffnete dieses erst wieder zu Ostern und die Jobs da würden auch extrem
schlecht bezahlt. Dann schnippte er mit den Fingern und rief, das „Graffiti“
stelle ebenfalls schon mal weibliche Propper ein und im „Moby‘s“ hätte ich
vielleicht sogar Chancen, einen Job als Bedienung zu bekommen!  Mir war die
Ironie in seiner Stimme jedoch entgangen und so sagte ich, dass ich kein Problem
damit hätte als Bedienung in einer Discothek zu arbeiten. Immerhin tat ich dies
in Deutschland ja nun auch. Als Propperin hingegen sah ich mich nicht. Ernie schnalzte
daraufhin ärgerlich mit der Zunge und fragte, wieso ich überhaupt nach Lloret
gekommen wäre? Doch bestimmt nicht, um hier als Bedienung in einer Disco zu
arbeiten! Immerhin bedeutete so ein Job das ich zur besten Zeit, nämlich nachts
— dann wenn alle anderen sich amüsierten, arbeiten müsste! Arbeiten wäre ja
ganz gut und schön, meinte Ernie, aber doch nur um zu leben, nicht um zu überleben.
     
    Darüber musste ich erst einmal
nachdenken. Worum ging es für mich hier? Ums Leben oder ums Überleben? In
Deutschland wollte und konnte ich nicht bleiben. Ich merkte, dass die Nähe zu
meiner Mutter mir nicht gut tat und dann war da ja auch noch mein Ex-Freund.
Irgendwann wäre er wieder genesen und ob er mich dann in Ruhe lassen würde,
wagte ich zu bezweifeln. Also ging es irgendwie schon ums Überleben! Aber ich
wollte vor allen Dingen auch leben und ich hatte auch ein bisschen das Gefühl,
als hätte ich etwas nachzuholen! Die Watte, in die mein Gehirn und meine
Gedanken während meiner Zeit im Krankenhaus schützend verpackt gewesen waren,
hatte sich mittlerweile wieder verflüchtigt. So langsam realisierte ich, wie
viel Glück ich gehabt hatte, dass ich Sonja begegnet war und mich getraut hatte,
sie wegen ihrer Narbe zu befragen. All das wäre jedoch niemals geschehen, hätte
ich nicht die Reise nach Lloret de Mar gewonnen. Wenn es also so etwas wie Schicksal
oder Vorbestimmung gab, worin hatte dann der Sinn dieses Reisegewinns
gelegen? Nur darin, dadurch meine Erkrankung aufzudecken, an der ich sonst
vielleicht gestorben wäre? Oder auch darin, mir die Möglichkeit zu einem
Neuanfang aufzuzeigen! Worin lag der Sinn, nicht an einer Erkrankung zu sterben
und dann bloß weiter, wie gewohnt, ein unglückliches Dasein zu fristen? Also entschied
ich, dass mir der Reisegewinn für beides zuteil geworden war: um gesund zu
werden und um dann auch neu anzufangen! Und neu bedeutete auch,
dass ich von nun an Spaß im Leben haben wollte! Dann hättest du zumindest
heute Morgen die Gelegenheit nutzen sollen, bevor Maurice ins Bad verschwand, meldete sich das Stimmchen, das auch behauptet hatte, Renée hätte mich so
gesehen wachgevögelt.
     
    Ernie proppte nun nur freitags und samstags,
den Rest der Woche hatte er frei und lebte nach eigener Aussage von seinem Ersparten.
Ich fand, dass er dafür nicht schlecht lebte. Er hatte die neuesten Musikkassetten
oder Schallplatten, eine Stereoanlage und sogar einen Fernseher. Auch seine
Hausbar war, ganz im Gegensatz zu seinem Kühlschrank,  gut bestückt. Zum Essen
ging Ernie meist in eine Bodega, nur an den Sonntagen nicht. Sonntags kam Graham
nach oben und kochte in Ernies Küche,

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