Vorsaison
ich aus dem Badezimmer kam und Babs meine nassen Haare sah, machte sie ein
bedauerndes Gesicht. Ein wenig altklug erklärte sie, dass Maurice heute Abend
wohl kaum Zeit für mich haben würde. Sie selbst war mit dem Taxi zurückgekommen
und meinte, Hermann habe ihr gesagt, Detlef und Maurice führen sonntagabends
immer zum Lager, um den Vorrat für die kommende Woche zu holen. Ich erinnerte
mich an den alten, giftgrünen VW-Bus mit österreichischem Kennzeichen in
Detlefs Auffahrt. Wahrscheinlich das Transportfahrzeug. Babs hoffte aber, dass zumindest Hermann es später noch ins „Hollywood“ schaffen würde — auch wenn Detlef und
Maurice nicht da wären, um ihn zu fahren! Babs sagte auch, sie hätte ihm genug
Geld dagelassen, damit er sich zur Not ein Taxi nehmen könnte. Als ich
das hörte, schüttelte ich missbilligend den Kopf. Ich fragte Babs, ob Hermann denn
nicht selbst genug Geld für ein Taxi hätte. Babs schüttelte traurig den Kopf
und erzählte, wie Hermann sich bei ihr darüber beklagt hatte, was für ein
Ausbeuter Detlef sei. Sie meinte, Hermann bekäme auch gar kein Geld, sondern
nur Kost und Logis von Detlef. Ich wollte das nicht so richtig glauben, behielt
meine Meinung aber für mich. Dann schwärmte Babs mir vor, was für ein toller
Lover Hermann wäre und ich entschuldigte mich schnell und verschwand in mein
Zimmer.
Nachdem Babs im Bad war, ging ich zu
Graham in die Küche und sah ihm beim Zubereiten einer Gemüsesuppe zu. Später
beim gemeinsamen Essen lernte ich dann auch Pepe kennen. Er war noch jung, kaum
älter als ich und studierte in Barcelona Deutsch und Englisch. An den
Wochenenden arbeitete er als Reiseleiter wodurch er die Möglichkeit hatte,
seine Sprachkenntnisse gleich in der Praxis anzuwenden. Er und Graham ergänzten
sich gut; Pepe gab ihm Unterricht in Katalanisch und er lernte vom Graham
bestes Cockney English . Doch als ich Pepe fragte, ob er wüsste, ob man
bei „Viajes Estrella“ noch Leute suche, schüttelte er bedauernd den Kopf. Er
meinte zwar, ich könnte es ja gerne mal versuchen und nannte mir auch den Namen
der Person, an die ich mich wenden sollte, aber er meinte auch, dass sein Chef
schon seit Jahren immer das gleiche Team beschäftigte. Er selbst hatte den Job
auch nur deshalb bekommen, wie er ganz offen zugab, weil der Chef von „Viajes
Estrella“ sein Onkel war. Pepe sagte allerdings, dass ich wahrscheinlich
bessere Chancen hätte, einen Job als Reiseleiterin zu finden, wenn ich mich in
Deutschland bewerben würde. Dann wäre ich auch automatisch über die deutsche
Firma angemeldet! Er erklärte mir, alle großen ausländischen Reiseveranstalter
würden an den Urlaubsorten immer mindestens einen eigenen Reiseleiter stationieren.
Dieser wäre ganz offiziell bei dem deutschen Reiseveranstalter angestellt und
bekäme für die Dauer seines Aufenthaltes in Spanien dann eine Sonderaufenthaltsgenehmigung.
Während des Abendessens sprachen wir
Englisch, weil jeder von uns, außer Babs, Englisch sprach. Babs zog einen
Flunsch. Nach dem Essen bezahlten wir Graham jeder 150 Peseten, weil er auch die
Einkäufe getätigt hatte. Ich fand, dass ich selten so lecker gegessen hatte, noch
dazu für so wenig Geld. Zwar schien tagsüber die Sonne, aber sobald es dunkel
wurde, wurde es ziemlich kalt und irgendwie klamm. Diese klamm-feuchte Kälte
kroch in jeden Winkel und da war die heiße und scharfe Gemüsesuppe genau das
Richtige gewesen, um wieder warm zu werden. Nur Babs meckerte, weil sie das
Essen hatte bezahlen müssen und mokierte sich bei mir. Sie hätte gedacht, dass
wir Ernies Gäste wären! Seit wann mussten Gäste für etwas bezahlen, noch dazu,
nachdem sie gestern schon selbst im Supermarkt gewesen war? Ich fand Babs
Bemerkungen unpassend und sagte ihr das auch. Daraufhin meinte sie, ich solle meine
schlechte Laune darüber, dass Maurice heute keine Zeit für mich hätte, doch bitte
nicht an ihr auslassen. Die Antwort verblüffte mich und ich fand sie ziemlich
weithergeholt. Aber mir dämmerte, das Babs wohl ein wenig einfältig war. Ich
hatte das gemeinsame Essen jedenfalls sehr genossen und mich selten so wohl und
integriert gefühlt. Ich mochte Graham und Pepe und hatte auch das Gefühl, dies
beruhte auf Gegenseitigkeit. Graham hatte die Reste der Suppe dann in den
Kühlschrank gestellt und Ernie drehte sie einen Tag später durch den Mixer —
das Ergebnis, eine gazpacho , war einfach köstlich! (Das Rezept zur
>Gemüsesuppe mit Biss< gibt es
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