Vorsaison
erstens ist jetzt Winter und die giris sind
rar. Außerdem war ich immer schon sehr wählerisch . Und zweitens mag ich
dich!<<
Den ganzen Tag über klapperte ich
dann systematisch Straße für Straße ab. In jedem Hotel und jedem Reisebüro
wurde ich vorstellig und fragte nach dem Manager oder dueño — dem
Eigentümer. Erstaunlicherweise waren diese zumeist gleich zu sprechen. Wenn sie
aber hörten, was ich wollte, fing ihr erster Satz fast immer mit lo siento-es
tut mir leid , an. Dennoch bestand ich darauf, dass sie meine
Bewerbungsunterlagen behielten, auf denen ich als Kontaktadresse sowohl Sonjas,
als auch Ernies Adresse angegeben hatte. Fünf Stunden war ich so durch Lloret
gelaufen und als ich gegen 18.00 Uhr schließlich zu Ernies piso zurückkehrte,
war ich ganz schön deprimiert. Babs saß im Wohnzimmer und lackierte gerade ihre
Fußnägel. Ernie habe mir eine Nachricht in der Küche hinterlassen, rief sie.
Darauf stand, dass er noch etwas zu erledigen hätte und später zum Essen bei
Ramon wäre. Corinna weiß wo das ist, aber wenn du sie treffen willst, bevor
sie zur Arbeit muss, dann solltest du vor 19.00 Uhr im Picasso sein , las
ich weiter. Dann hörte ich, wie Babs meinen Namen rief und sie mir unbedingt etwas
erzählen müsste! Ich wollte eigentlich zu Corinna und rief zurück,
dass ich wenig Zeit hätte — aber OK!
Was Babs mir dann eröffnete entsprach
nur meinen Befürchtungen. Sie sagte, dass sie nun ebenfalls vorhabe nach Lloret
zurückzukehren. Wahrscheinlich sogar noch früher als ich! Hermann habe ihr
erzählt, sie könnte im Sommer ohne Probleme jeden Job bekommen, den sie haben
wollte und sie beide würden sich dann zusammen eine Wohnung mieten. Sobald die
neue Saison anfing, wollte Hermann auch bei Detlef kündigen und wieder als
Propper arbeiten und bis dahin könnten sie beide von ihrem Ersparten leben. Ich
überlegte was ich darauf sagen sollte. Einerseits war Babs alt genug, um zu
wissen was sie tat, andererseits hatte ich sie mitgenommen und fühlte mich ihr
gegenüber verantwortlich. Dann fiel mir ein, dass Babs ja noch in der Lehre
war, doch sie winkte bloß ab und meinte, das sei ihr egal. Hermann sei ihr viel
wichtiger! Daraufhin fragte ich sie zuerst, wo Hermann denn nun sei und Babs erklärte,
er sei zurück nach Lloret Blau.
>>Wie?<<, fragte ich
daraufhin und die Antworte überraschte mich ebenfalls nicht. Babs druckste zwar
ein wenig herum, doch dann sagte sie, dass sie ihm wieder das Geld für ein Taxi
gegeben hätte. Dann machte sie eine Pause und fügte hinzu: >>Für das Taxi
hin und auch wieder zurück.<<
Ich erzählte ihr daraufhin, wie
Maurice noch in der Nacht hier vorbeigekommen war. Dann berichtete ich ihr davon,
was Maurice mir gesagt hatte und dass Hermann am Abend zuvor unerlaubterweise ein
Mofa beim Nachbarn entwendet hatte. Was immer er also mit ihrem Geld auch
machte — für ein Taxi hatte er es jedenfalls nicht ausgegeben! Ich sagte
ihr auch, Hermann sei bekannt dafür, dass er sich gerne von Frauen aushalten
ließ. Doch das alles ging bei Babs zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder
genauso hinaus. Stattdessen hätte ich sie vielleicht besser einmal fragen können,
woher sie denn all das Geld hatte! Denn als Lehrmädchen, selbst im dritten
Lehrjahr, verdiente sie als Verkäuferin ziemlich wenig. Zumal sie auch selbst erzählt
hatte, dass sie ihren ganzen Lohn zu Hause abliefern musste. Aber im Nachhinein
muss ich zugeben, dass mir damals so vieles nicht aufgefallen ist was mir
eigentlich spanisch hätte vorkommen müssen. Einerseits war ich dafür
selbst noch zu naiv und andererseits war ich auch zu sehr mit meinem eigenen
Überleben beschäftigt.
Babs bezichtigte mich, oder besser
gesagt Maurice der Lüge und sagte, wir seien ja bloß alle eifersüchtig und
gönnten ihr nicht, ihr Glück. Dann fing sie an zu weinen und schluchzte, sie
hätte zum ersten Mal im Leben das Gefühl, jemand habe sie wirklich gern. Hermann
habe ihr gesagt, dass er sie lieben würde und sie habe sich ebenfalls in ihn
verliebt. Zu Hause bei ihren Eltern seien die ewigen Kontrollen und das
scheinheilige, gläubige Getue nicht mehr zum Aushalten! Sie wolle da raus und
dies sei ihre Möglichkeit. Ich konnte Babs nur zu gut verstehen und das sagte
ich ihr auch. Allerdings beherrschte Babs keinerlei Fremdsprachen, noch nicht einmal
Englisch — wie wollte sie da jemals einen Job in Lloret finden? Doch Babs war
überzeugt, dass Hermann das schon regeln würde.
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