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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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allenthalben populäre Farbdruck mit einer gelbgesichtigen jungen Chinesin, der altmodische, in die Wand eingelassene Gaskamin. Caroline hatte die Einrichtung nicht verändert, nichts von ihrer Persönlichkeit in sie eingebracht. Es war, als würde sie all die Unzulänglichkeiten, die Scheußlichkeiten nicht wahrnehmen. Die Einrichtung erfüllte ihren Zweck. Mehr verlangte Caroline nicht, und auch den Vermietern hatte es genügt. Schon die Eingangsdiele hatte Jonathan betroffen gemacht. Am liebsten hätte er ausgerufen: »Wir sind das erste Mal zusammen; für mich ist es überhaupt das erste Mal. Könnten wir nicht woanders hingehen? Muß es ausgerechnet hier sein?«
    »Ich glaube, ich schaffe das nicht«, sagte er beklommen.
    »Jedenfalls nicht überzeugend. Chief Inspector Rikkards wird merken, daß ich lüge. Ich werde schuldbewußt und verlegen dreinschauen.«
    Caroline hatte anscheinend beschlossen, ihm mit sanftem Zureden Mut zu machen. »Er wird damit rechnen, daß du verlegen bist«, beschwichtigte sie ihn. »Du sagst ihm doch immerhin, daß wir den Abend gemeinsam verbracht, miteinander geschlafen haben. Das klingt doch überzeugend, hört sich ganz normal an. Er würde mißtrauisch werden, wenn du nicht schuldig dreinschauen würdest. Das muß dir doch einleuchten – eine schuldbewußte, verlegene Miene macht deine Aussage glaubwürdiger.«
    Sie setzte also seine Unerfahrenheit, seine Unsicherheit, ja sogar sein Schamgefühl für ihre Zwecke ein.
    »Wir brauchen nur die beiden Abende zu vertauschen«, fuhr sie fort. »Was am Freitag abend geschah, passierte gestern. Du brauchst dir nichts auszudenken, brauchst nichts zu erfinden. Sag ihnen einfach, was wir getan, gegessen, worüber wir geredet haben. Es wird glaubwürdig klingen, weil es ja die Wahrheit ist. Auch wenn sie uns Fangfragen nach dem Fernsehprogramm stellen, kann nichts passieren, weil wir nicht ferngesehen haben.«
    »Aber was da geschehen ist, war doch etwas Privates. Etwas, das uns allein betrifft.«
    »Jetzt nicht mehr. Ein Mord greift nun mal in die Privatsphäre ein. Wir haben miteinander geschlafen. Die Polizei hat einen drastischeren Ausdruck dafür. Sie werden ihn nicht verwenden, aber er wird ihnen in den Sinn kommen. Wir haben in meinem Schlafzimmer, auf meinem Bett miteinander geschlafen. Weißt du es nicht mehr?« Wie sollte er das vergessen! Er wurde flammendrot und hatte das Gefühl, sein Körper würde brennen. Obwohl er es nicht wollte, traten ihm Tränen in die Augen, die ihm siedendheiß vorkamen. Er schloß die Augen, um sie nicht wegwischen zu müssen. Selbstverständlich wußte er es noch. Er erinnerte sich an das öde, quadratische Hinterzimmer, so wenig anheimelnd wie ein Zimmer in einem billigen Hotel, entsann sich seiner Aufregung, seiner Angst, die ihn lähmte, seiner ungelenken Liebkosungen, der geflüsterten Aufmunterungen, die schließlich zu Anweisungen wurden. Sie hatte sich geduldig, erfahren verhalten und schließlich die Initiative ergriffen. So einfältig war er nun auch nicht, daß er angenommen hätte, für sie sei es das erste Mal; für ihn schon, aber nicht für sie. Was da geschehen war, war unabänderlich. Sie hatte ihn besessen und nicht er sie. Und sie hatte nicht nur körperlich von ihm Besitz ergriffen. Einen Augenblick lang brachte er kein Wort heraus. Er konnte nicht glauben, daß jene grotesken, aber zielstrebigen Verrenkungen etwas mit der Caroline zu tun hatten, die jetzt neben ihm stand und doch so fern war. Er betrachtete eindringlich ihre makellose, grau-weiß gestreifte Bluse, die wie ein Herrenhemd geschnitten war, den Faltenwurf ihres langen, grauen Rockes, die schwarzen Trotteurs, die schlichte Goldkette, die dazu passenden goldenen Manschettenknöpfe, das weizenblonde Haar, das zu einem einzigen dicken Zopf geflochten war. War es das, was er geliebt hatte, was er noch liebte, dieses romantische Ideal eines Jungen, dieses nunmehr kalte, ferne Abbild von ihr? Ihm war bewußt, daß ihr erstes Beisammensein mehr zerstört als ihm eröffnet hatte, daß das, wonach er sich gesehnt hatte, weiterhin ersehnte und das er dennoch für immer verloren hatte, eine unerreichbare Schönheit war. Aber er wußte auch, daß sie nur die Hand auszustrecken brauchte, und er würde ihr erneut in den Bungalow und auf jenes Bett folgen.
    »Aber warum das alles?« fragte er bekümmert. »Warum nur? Man wird dich doch nicht verdächtigen. Das kann nicht sein. So ein Gedanke ist doch lächerlich. Du bist mit

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