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Vorsatz und Begierde (German Edition)

Vorsatz und Begierde (German Edition)

Titel: Vorsatz und Begierde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Paar kaufen, als sei er ein ganz normaler Kunde. Ich muß mir wegen des Sohlenabdrucks völlig sicher sein, bevor wir die Leute bitten, uns ihre Schuhschränke zu öffnen. Wir haben es hier mit Verdächtigen zu tun, die nicht dumm sind. Ich möchte nicht schon zu Beginn der Untersuchungen eine Panne erleben.«
    »Das ist nur Zeitverschwendung, Sir. Mein Bruder hat ein Paar Bumble-Joggingschuhe. Der Abdruck ist unverwechselbar.«
    »Ich muß mich vergewissern«, erwiderte Rikkards. »Und das möglichst schnell.«
    Sergeant Oliphant deckte den Abdruck wieder mit dem Kunststoffschutz und der Folie ab und folgte Rikkards zum Strand. Rikkards spürte geradezu körperlich Oliphants Widerwillen, seinen Unmut, seine Verachtung. Aber er mußte sich nun mal mit dem Mann abfinden. Oliphant hatte dem Team angehört, das all die Schwierigkeiten im Fall Whistler hatte ertragen müssen. Auch wenn es sich nun um eine andere Untersuchung handelte, würde es schwierig sein, ihn aus dem Team zu entfernen, ohne personelle oder organisatorische Probleme heraufzubeschwören, die er jedoch unbedingt vermeiden wollte. In der fünfzehn Monate währenden Suche nach dem Whistler hatte sich seine Abneigung gegen Sergeant Oliphant zu einer Antipathie gesteigert, für die er keinen vernünftigen Grund hatte und die er um der laufenden Untersuchung und um seiner Selbstachtung willen zu zügeln versuchte. Auch ohne persönliche Zwistigkeiten war die Aufklärung von Serienmorden schon schwierig genug.
    Er hatte keine Beweise dafür, daß Oliphant ein Rohling war. Er sah nur so aus. Er war über einen Meter achtzig groß, durchtrainiert, muskulös, hatte dunkles Haar, ein markantes, breitflächiges Gesicht, volle Lippen, stechende Augen und ein fleischiges Kinn mit einem Grübchen in der Mitte. Eben dieses Grübchen schaute Rikkards immer wieder fasziniert an; seine Abneigung gegen diesen Mann machte es geradezu zu einem körperlichen Defekt. Überdies trank Oliphant zuviel, aber das war bei einem Polizisten sozusagen ein Berufsrisiko. Die Tatsache, daß Rikkards ihn noch nie betrunken gesehen hatte, verstärkte nur sein Unbehagen. Ein Mann konnte einfach nicht soviel Alkohol zu sich nehmen und trotzdem noch sicher auf beiden Beinen stehen.
    Oliphant verhielt sich gegenüber seinen Vorgesetzten durchaus korrekt. Er war respektvoll, aber nicht untertänig. Trotzdem gelang es ihm aber, Rikkards auf ganz subtile Weise zu verstehen zu geben, daß er den Maßstäben nicht gerecht wurde, die Oliphant von sich aus an ihn legte. Bei den weniger empfindsamen Beamtenanwärtern war er beliebt; die anderen gingen ihm möglichst aus dem Weg. Sollte er jemals in Schwierigkeiten geraten, dachte Rikkards, war Sergeant Oliphant der letzte Polizeibeamte, den er in seiner Nähe zu sehen wünschte. Oliphant hätte diese Einstellung vermutlich als Kompliment betrachtet. Zudem hatte sich seitens der Öffentlichkeit noch nie jemand über ihn beschwert. Auch das stimmte Rikkards argwöhnisch, ohne daß es einen einsichtigen Grund dafür gab. Denn daraus könnte man schließen, daß dieser Mensch, wenn seine Interessen auf dem Spiel standen, gerissen genug war, wider seine wahre Natur zu handeln. Er war unverheiratet, schaffte es aber, ohne groß zu prahlen, den Eindruck zu vermitteln, daß ihn die Frauen unwiderstehlich fanden. Vermutlich traf das auch auf einige zu. Wenigstens ließ er die Frauen seiner Kollegen in Ruhe. Kurzum, er besaß als junger Polizeifahnder all die Eigenschaften, die Rikkards mißfielen: Aggressivität, die er nur deswegen zügelte, weil dies angeraten war, einen kaum verhohlenen Hang zur Macht, ein unverblümtes Macho-Gehabe und eine Überschätzung seiner Fähigkeiten. Und diese waren nicht gering zu bewerten. Oliphant würde es zum Chief Inspector bringen, wenn nicht noch weiter. Rikkards sträubte sich dagegen, den Spitznamen seines Sergeanten – Jumbo – in den Mund zu nehmen. Oliphant, weit davon entfernt, diese Bezeichnung als kindisch oder unpassend zu mißbilligen, ließ sie sich gefallen, mochte sie anscheinend sogar, zumindest wenn sie von seinen Kollegen verwandt wurde, denen er dies gestattete. Minder begünstigte Sterbliche gebrauchten sie nur einmal und nie wieder. Inzwischen schien Dr. Maitland-Brown bereit zu sein, sein vorläufiges Untersuchungsergebnis mitzuteilen. Er richtete sich zu seiner vollen Größe von ein Meter neunzig auf, streifte die Handschuhe ab und warf sie – wie ein Schauspieler, der sich eines Teils seines

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