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Vorsatz und Begierde

Vorsatz und Begierde

Titel: Vorsatz und Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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jetzt ihn in der Rolle des Mörders?«
    »Ich sehe ihn in der Rolle eines stark Verdächtigen.«
    »Was ist mit dem Pärchen im Caravan?« erkundigte sich Dalgliesh. »Gibt es Beweise dafür, daß ihnen die Methode des Whistlers bekannt war?«
    »Wir haben jedenfalls nichts entdeckt, aber wie soll man da sicher sein? Neil Pascoe, der Mann, kutschiert mit seinem Lieferwagen rum und geht in den hiesigen Pubs trinken. Er könnte etwas aufgeschnappt haben. Nicht jeder Polizist, der mit dem Fall zu tun hat, ist unbedingt verschwiegen. Aus der Presse haben wir die Einzelheiten rausgehalten, aber das heißt nicht, daß nicht geredet wurde. Er hat so etwas wie ein Alibi. Er ist mit dem Lieferwagen unmittelbar südlich von Norwich gewesen, um mit einem Burschen dort zu sprechen, der ihm geschrieben hatte, er interessiere sich für PANUP, seine Anti-Atom-Organisation. Er hatte offenbar gehofft, dort eine Ortsgruppe gründen zu können. Ich habe zwei Constables zu diesem Mann geschickt. Wie er sagt, waren sie zusammen, bis Pascoe um etwa zwanzig nach 8 die Heimfahrt antrat – jedenfalls hat er gesagt, daß er nach Hause wollte. Das Mädchen, mit dem er zusammenlebt, Amy Camm, behauptet, er sei um 9 zum Caravan zurückgekommen und den Rest des Abends hätten sie zusammen verbracht. Ich vermute, daß er erst etwas später zurückgekommen ist. Mit diesem Lieferwagen hätte er sich schon sehr ins Zeug legen müssen, um es in vierzig Minuten von hinter Norwich bis nach Larksoken zu schaffen. Außerdem hat er ein Motiv, eines der stärksten. Falls Hilary Robarts mit ihrer Verleumdungskampagne weitergemacht hätte – sie hätte ihn ruinieren können. Und es kann nur in Amy Camms Interesse liegen, sein Alibi zu bestätigen. Sie hat sich mit ihrem Jungen ein schön gemütliches Nest geschaffen, in diesem Caravan. Und ich werd Ihnen noch was sagen, Mr. Dalgliesh: Die beiden hatten mal einen Hund. Die Leine hängt noch immer im Caravan.«
    »Aber wenn einer von ihnen oder beide sie benutzt hätten, um die Robarts zu erdrosseln, würde sie dann auch noch da hängen?«
    »Vielleicht hat jemand sie gesehen. Vielleicht haben die beiden sich gedacht, es würde weitaus verdächtiger wirken, wenn sie die Leine vernichteten oder versteckten, als wenn sie sie da hängen ließen. Wir haben sie natürlich mitgenommen, aber das war nur eine Formalität. Die Haut der Robarts war nicht verletzt. Es gibt keine körperlichen Spuren. Und wenn wir Fingerabdrücke kriegen, werden das seine und ihre sein. Wir werden die Alibis selbstverständlich überprüfen. Von jedem einzelnen Angestellten im Kraftwerk, und davon gibt es über fünfhundert. Sollte man gar nicht glauben, nicht wahr? Wenn man da reinkommt, kriegt man kaum einen zu Gesicht. Scheinen sich genauso unsichtbar durch die Landschaft zu bewegen wie die Kernenergie, die sie erzeugen. Die meisten wohnen in Cromer oder Norwich. Wahrscheinlich, weil sie in der Nähe von Schulen und Läden sein wollen. Nur eine Handvoll wohnt in der Nähe des Kraftwerks. Der größe Teil der Sonntagsschicht war lange vor 10 Uhr zu Hause und hat brav ferngesehen oder war mit Freunden aus. Wir werden sie alle überprüfen, ob sie nun beruflich mit der Robarts zu tun hatten oder nicht. Aber das ist nur eine Formalität. Ich weiß, wo ich nach den wirklichen Verdächtigen zu suchen habe: bei dieser Dinnerparty. Da dieser Lessingham nicht den Mund halten konnte, erhielten die Gäste Kenntnis von zwei entscheidenden Faktoren: daß es sich bei den Haaren, die ihr in den Mund gestopft worden waren, um Schamhaare handelte, und daß der Schnitt auf ihrer Stirn die Form eines L besaß. Das engt den Kreis beträchtlich ein. Alex Mair, Alice Mair, Margaret Dennison, Lessingham selbst und – vorausgesetzt, Theresa Blaney hat ihrem Vater von dem Telephongespräch erzählt – auch Blaney. Na schön, ich werde sein oder Mairs Alibi möglicherweise nicht knacken können, aber ich werd’s verdammt noch mal versuchen.«
    Zehn Minuten darauf erhob sich Rikkards und erklärte, es sei Zeit zum Gehen. Dalgliesh begleitete ihn zum Wagen. Die Wolkendecke hing ziemlich tief, Himmel und Erde waren in dieselbe alles verschluckende Dunkelheit getaucht, in der die kalte Glitzerpracht des Kraftwerks näher gerückt zu sein schien, und auf dem Wasser lag ein blaßblaues Leuchten wie eine neu entdeckte Milchstraße. Selbst den harten Boden unter den Füßen zu spüren wirkte in dieser Finsternis desorientierend, und sekundenlang zögerten die

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