Vorsicht Nachsicht (German Edition)
den Kopf. Seine Hand greift nach meiner. Er sagt aber immer noch nichts. Schüchtern blicke ich ihn von der Seite an. Irgendwas scheint ihn arg zu beschäftigen. Ich weiß aber nicht genau was. Immerhin waren das vorhin quasi Fremde. Ist doch egal, was die denken. Ist es immer noch sein schlechtes Gewissen wegen dem Seitensprung?
»Kilian?«, spreche ich ihn behutsam an.
Er schreckt auf und sieht mich verdutzt an. Dann lächelt er halb. »Sorry, hast du was gesagt?«
»Nein, nur… Wenn du so finster guckst, glaube ich nicht, dass du den Spaziergang genießt«, meine ich und zucke unsicher mit den Schultern.
»Tue ich auch nicht«, gesteht er seufzend. »Sorry.«
»Ist es wegen dem was Benni gesagt hat? Er ist ein Idiot.«
»Nein, es ist wegen…« Er stockt. »Weißt du, es ist nicht nur Benni. Und er ist auch kein Idiot. Ich habe mich scheiße verhalten. Sogar doppelt. Und mal abgesehen von meiner Untreue, es sind zwölf Jahre Altersunterschied. Eigentlich bin ich ständig dabei, mich zu rechtfertigen. Es ist viel… schwerer als ich angenommen habe.«
Ich schlucke trocken. Mir wird eiskalt. Meine Hand in seiner fühlt sich grotesk an. Zaghaft löse ich sie aus seiner. Er gibt sie frei. Sein Blick ist wieder nachdenklich auf den Schotterweg vor uns gerichtet.
»Sogar die Menschen, die mich eigentlich unterstützen sollten, versuchen es mir auszureden«, gesteht Kilian. »Jeremy, meine Freunde… dein Cousin. Gibt es irgendwen, der auf unserer Seite ist?«
Mein Herz klopft schmerzhaft gegen meine Brust. Er klingt so resigniert… Will er aufgeben? Es ist wirklich nicht leicht. Niemand ist für uns. Ich kann da noch ein paar Namen auf der Liste hinzufügen: Viktor und meine Eltern zum Beispiel. Dennoch tut es weh. Mir bedeuten diese Menschen alle nichts. Es ist mir egal, was sie von uns denken. Bei ihm ist das wahrscheinlich anders. Er ist so ein sozialer Typ. Logisch, dass er da den Rückhalt von anderen braucht. Logisch, dass ich ihm allein nicht reiche.
»Es ist so ungerecht«, brummt Kilian. Stirnrunzelnd schaut er auf seine Hand. Anscheinend bemerkt er erst jetzt, dass ich ihm meine entzogen habe. Irritiert sehe ich zu, wie er wieder nach meiner greift. Es fühlt sich falsch an. Es passt nicht zu dem dröhnenden Rauschen in meinen Ohren, das mich auf den herben Schlag vorbereitet, den ich jeden Moment von ihm erwarte. Wenn er mit mir Schluss machen will, ist Händchenhalten die falsche Taktik.
Doch plötzlich zieht er mich an meiner Hand sogar in seine Arme. Ich lasse es verwirrt geschehen. Seine Arme umfangen mich fest. Seine Lippen streifen über mein Ohr.
Verschwörerisch flüstert er: »Aber wir werden es ihnen schon zeigen.«
Oh Gott. Erleichterung macht sich in mir breit. Ich schlinge die Arme um ihn und ziehe ihn mindestens ebenso fest an mich. Er hat mir verdammte Angst gemacht. Und ebenso schnell schafft er es wieder, mich glücklich zu machen.
»Ja«, hauche ich leise. Ich muss ihn jetzt unbedingt küssen. Zum Glück scheint er die gleiche Absicht zu verfolgen. Erst als ich seine Lippen auf meinen spüre, entspanne ich mich.
»Es wird nicht leicht«, murmelt er leise gegen meine Lippen.
»Es ist ganz leicht«, widerspreche ich ebenso leise. »Denn die Einzigen, die was in dieser Angelegenheit zu sagen haben, sind nun mal wir und nicht die.«
Ich spüre wie sich seine Lippen zu einem Lächeln formen. Er küsst mich erneut, diesmal zärtlicher.
»Du hast Recht«, nuschelt er dann. »Ich bin es nur nicht gewohnt, mich ständig hinterfragen zu lassen.«
»Dann lass es. Du musst dich nicht rechtfertigen«, entgegne ich und sehe ihn an.
Kilian seufzt und nickt nachsichtig. Sanft streicht seine Hand über meinen Rücken. »Gehen wir noch ein Stück?«
Während des Spaziergangs entspannen wir uns ein wenig. Ich erhole mich von meinem Schock und Kilian von seinem Stimmungstief. Ich kann immer noch nicht fassen, wie leicht er mich verletzen kann. Ein paar Worte von ihm reichen aus, um meine kleine, neue Welt total aus den Angeln zu reißen.
***
»Was haben eigentlich deine Eltern gesagt, als du an dem Abend so spät zurückgekommen bist?«, erkundigt sich Kilian plötzlich, als wir wieder im Auto sitzen und zu seiner Wohnung zurück fahren. Bis eben haben wir kaum geredet. Mir geht Kilians Erkenntnis, dass alle gegen uns sind, näher als ich zugeben möchte. Das bedeutet, ich hatte tatsächlich Recht, was Jeremy betrifft: Für eine flüchtige Affäre bin ich okay, aber dass Kilian
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