Vorstadtprinzessin
brachte. Einer, der kein Umgang für seine Tochter war. Was wäre, wenn »Paps« erführe, dass Lucky einen kriminellen Bruder hatte?
Bei ihm zu Hause war die Stimmung schlecht und wurde nicht besser, als Mia bemerkte, dass ihr neues Badetuch völlig versandet in Luckys Sporttasche steckte. Das einzige Highlight war Theos Brief, den Mama erst herausrückte, nachdem sie sich durch die Pellkartoffeln mit Quark und Schnittlauch gearbeitet hatten.
Lucky nutzte die erste Pause am Vormittag des Montags, um Theo eine SMS zu schreiben. Hoffentlich las er sie auch, das wusste man bei Theo nie. Der konnte kauzig sein. Nicht nur, dass er dauernd Bücher las.
Heute war der Werkstattmeister wieder da und ließ Lucky kaum eine freie Minute. Dafür saß die Chefin beim Zahnarzt. Vieles glich sich aus.
Vor halb acht würde es nichts werden mit dem Lichtgrün. Es sei denn, er erledigte den Mercedes der Chefin im Schnelldurchgang.
Theos Antwort ging zu Luckys Erstaunen schon eine halbe Stunde später ein. Saß Theo nicht in der Schule?
»Klingel durch, wenn du so weit bist«, schrieb Theo.
Leni hatte schon seit einem halben Jahr keine Schule mehr von innen gesehen. Es gab Augenblicke, da dachte sie über ihre Zukunft nach, doch die Verdrängung setzte schnell ein. Die Zukunft würde sich schon finden irgendwo zwischen Hamburg und dem Süden Frankreichs, wo ihre Mutter lebte, die sie sicher großzügig aufnehmen würde, falls Paps mal ungnädig werden sollte und Leni nicht länger in Frieden ließ.
»Vielleicht fange ich nach den Sommerferien noch mal an«, hatte sie zu Theo gesagt. Nichts lag ihr ferner. Theo forderte so einen Satz heraus, ernsthaft, wie er war. Es würde ein Spaß sein, ihn zu knacken.
Es gab schrecklich öde Tage in ihrem Leben und Langeweile total.
Doch da waren auch diese Momente, in denen Leni sich lebendig fühlte von den Haarwurzeln bis zu den Zehenspitzen.
Der Montag hielt einen dieser Momente bereit. Als sie in der Hochbahn saß, auf die Station Baumwall zufuhr und den Blick über den Hafen hatte, der in einem milchigen Sonnenlicht vor ihr lag. Die ganze Luft schmeckte nach weiter Welt. Der Hunderter für Max knisterte in ihrer Jeanstasche. Sie hatte den Schein nicht in ihre kleine, feine Lederbörse gesteckt. War doch viel lässiger, ihn aus der Jeans zu ziehen.
Max hatte als Treffpunkt diesmal die Kehrwiederspitze ausgewählt. Gab alles inklusive dort. Den Blick auf die Baustelle der Elbphilharmonie. Den Hafen für die Sportboote.
»Am Sandtorkai«, hatte Max gesagt, »vor dem Stricker’s.« Leni war zehn Minuten nach der verabredeten Zeit in das Lokal hineingegangen. Zwei Cappu trank sie und ein Mineralwasser. Max kam nicht. Sie wurde von Minute zu Minute zorniger.
Eine Stunde später hatte sie die Milchkaffees und das Mineralwasser bezahlt, das Lokal verlassen und zum vierten Mal Max’ Handynummer eingegeben, doch es kam keine Verbindung zustande.
Leni ging über die Niederbaumbrücke zurück zum Baumwall und landete schließlich in den Luxusläden des Neuen Wall. Den knisternden Hunderter zog sie aus der Tasche ihrer Jeans, um ein viel zu teures T-Shirt zu kaufen. Geschah Max recht, dass das Geld weg war. Doch ein dumpfes Gefühl blieb zurück.
Leni stieg in die S-Bahn und dann in den Bus und sah Tanja darin sitzen. Eine echte Tussi. Vielleicht passte die ja besser zu Max.
Vier Stunden waren vergangen, seit sie die Tür des väterlichen Hauses hinter sich zugeschlagen hatte. Sie könnte sich zwischen Lavendel und Oleander auf den Rasen legen und sich bräunen lassen. Zu schade, dass Paps nicht bereit gewesen war, einen Pool anzulegen.
Leni kam von der Bushaltestelle und schlug den Weg zum Tre Castagne ein. Keinen dritten Cappucino mehr. Wirklich nicht. Doch vielleicht einen Campari. Der weichte den Zorn auf. Die Tanja-Tussi war eine Weile vor ihr hergegangen, doch nun bog sie zur Kirche ab.
Leni setzte sich an den Tisch unter der großen Kastanie und bestellte Campari mit Soda. Sah dieser Pseudoitaliener von Wirt sie lüstern an?
Die Angst kam, als sie das Glas geleert hatte. Angst um Max. Vielleicht hatte er verdammt gute Gründe gehabt, sie zu versetzen.
»Wer weiß, was Montag ist«, hatte er gesagt. Voller Düsternis.
Lucky war um zwanzig vor sieben schon so weit und klingelte durch. Theo stand vorm Haus, als er mit dem Ford vorfuhr. Theos Vater saß oben vor dem Fernseher, um die Nachrichten um sieben Uhr zu sehen. Noch zeigte ihm das Zweite Deutsche Fernsehen die
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