Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
Vom Netzwerk:
Bionormativen, falls sie das wirklich hinkriegen.«
    »Und wenn wir doch zur Erde kommen?«
    »Keine Ahnung. Als der Bogen vor ungefähr tausend Jahren aufhörte zu funktionieren, war die Erde so gut wie unbewohnbar. Die Meere kippten um, riesige bakterielle Inseln entließen Unmengen von Schwefelwasserstoff in die Atmosphäre. Wir müssen uns eine Atmosphäre vorstellen, die so giftig ist, dass darin kein ungeschütztes Leben existieren kann, und deshalb wäre es eine ganz schlechte Idee, sich während und nach der Passage im Freien aufzuhalten.«
    »Und wo finden wir Schutz?«
    »Der einzige wirklich sichere Ort ist Vox-Core. Es kann sich hermetisch verschließen und seine Luft recyceln. Dorthin wollen die Farmer. Wenn das Netzwerk und andere Systeme ausfallen, ist der Schutz der äußeren Inseln nicht mehr gewährleistet, also wollen sie noch vor der Passage ins Innere von Vox-Core. Aber der Platz reicht nicht für jede abgelegene Gemeinde des Archipels. Sie werden kämpfen müssen.«
    4.
    Nach einem weiteren Tagesmarsch schlug die Farmer-Miliz erneut ein Lager auf. Digger Choi öffnete die Wagenklappe, schob zwei Schalen grünen Brei hinein und band uns die Hände los, damit wir essen konnten. Turk rieb sich Handgelenke und Beine, dann lehnte er sich an die Seitenwand und blickte über den Rand. Und sah zum ersten Mal Vox-Core.
    Seine Miene war interessant – eine Mischung aus Ehrfurcht und Furcht.
    Vox-Core lag zum größten Teil unter der Erde, aber das Wenige, das zu sehen war, war beeindruckend genug. Die Farmer hatten ihr Lager im Windschatten einer Anhöhe aufgeschlagen, und von hier aus wirkte Vox-Core wie die Schmuckkassette eines vergesslichen Gottes. Die gut achthundert Meter hohen Schutzmauern waren die Kassette, und die Schmuckstücke waren die aberhundert facettierten Türme: die Kommunikations- und Energieknoten, die Licht sammelnden Oberflächen, die Landebuchten der Flugmaschinen, die Wohnsitze der Manager. Auf Turk musste das alles außerordentlich protzig wirken, doch ich wusste (weil Treya es gewusst hatte), dass jedes Material und jede Oberfläche einem Zweck diente: schwarze beziehungsweise weiße Fassaden zum Kühlen oder Wärmen, blaugrüne Täfelungen für die Fotosynthese, rubinrote oder rauchblaue Fensterscheiben, um bestimmte Frequenzen des sichtbaren Lichts abzublocken oder zu begüns tigen. Die untergehende Sonne verlieh dem allem einen warmen, verführerischen Glanz.
    Zumindest dem Teil, der nicht zerstört war. Treya war noch so präsent, dass ich ihren Schmerz spürte.
    Das Steuerbord-Viertel der Stadt war zum größten Teil zerstört, und das war schlimm, denn was darunterlag, gehörte zur unentbehrlichen Infrastruktur von Vox-Core. Die Inseln des Archipels waren auf vielfache Weise miteinander verbunden, und Vox hatte in der Vergangenheit größere Zerstörungen ohne nennenswerte Ausfälle überstanden. Aber selbst das dezentralisierteste Netzwerk versagt bei zu großem Konnektivitätsschwund. Und genau das war offenbar geschehen, als die Kernwaffe den Schutzschild durchdrungen hatte. Es war, als hätte Vox einen Schlaganfall erlitten: die Zerstörung breitet sich unaufhaltsam aus, bis schließlich der ganze Organismus betroffen ist. Noch immer wehten Rauchfahnen aus der Einschlagsstelle, und in der Steuerbord-Mauer gähnte ein Loch, das ein Zugang für die Farmer hätte sein können, wenn da nicht eine Barriere aus strahlenden und immer noch schwelenden Trümmern gewesen wäre.
    Treya hatte ihr ganzes Leben in dieser Stadt verbracht, und ihre Erschütterung trieb mir Tränen in die Augen.
    Turk – nachdem er sich vergewissert hatte, dass Digger Choi außer Hörweite war – sagte: »Erzähl mir von den Leuten, die das getan haben.«
    »Die die Stadt erbaut oder die Bombe geworfen haben?«
    »Die Bombe geworfen.«
    »Eine Allianz aus kortikalen Demokratien und radikalen Bionormativen. Fest entschlossen, uns nicht durch den Torbogen zu lassen, aus Angst, wir könnten damit die Aufmerksamkeit der Hypothetischen wecken und eine Art Jüngstes Gericht provozieren.«
    »Und? Hältst du das für möglich?«
    »Ich weiß es nicht.« Treya hätte sich mit einer solchen Frage erst gar nicht befasst – als gute voxische Bürgerin hatte sie die Güte der Hypothetischen nie angezweifelt und war überzeugt gewesen, die Menschen würden eines Tages einen wie auch immer gearteten Umgang mit ihnen pflegen. Doch als Allison konnte ich agnostisch damit umgehen.
    »Früher oder später müssen

Weitere Kostenlose Bücher