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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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– ich hätte ihm am liebsten die Füße geküsst.
    Allison murmelte etwas auf Voxisch, vielleicht ein »Danke«. Ich verstand nicht, was der Farmer erwiderte, aber ich verstand den Tonfall: Es hieß so viel wie »Fahr zur Hölle!«.
    Unten in der Ebene ging das Töten weiter. Der Gestank von verschmorendem Fleisch war kaum mehr zu ertragen. Digger Choi machte Anstalten seinen Kameraden zu folgen, blieb dann aber abrupt stehen, als ein Schatten die Lichter von Vox-Core verdeckte. Eine riesige Militärmaschine schwebte direkt über uns. Dann, urplötzlich, wurden wir in Licht gebadet, und eine Lautsprecherstimme rief unverständliche Anordnungen auf Voxisch.
    »Sei ganz still«, sagte Allison und legte die Hand auf meinen Arm. »Und nicht bewegen!«
    Es war die Kleidung, die uns rettete – unsere schmierigen, blutbefleckten, abgetragenen gelben Overalls.
    Das Netzwerk war wieder intakt, und wäre auch das limbische Implantat von Allison intakt gewesen, hätte es die voxischen Streitkräfte auf uns aufmerksam gemacht. Aber die Farmer hatten ihren Netzknoten zerstört und ich hatte nie einen besessen, also hätten wir eigentlich wie die anderen über die Ebene gejagt werden müssen. Wenn da nicht unsere Kleidung gewesen wäre. Mikroskopisch kleine Hochfrequenzchips im Gewebe identifizierten uns als Überlebende der äquatorianischen Bergungsaktion (zumindest als Träger der entsprechenden Kleidung), und das reichte, um uns Aufschub zu gewähren. Die Maschine setzte auf, eine Luke öffnete sich und spuckte einen Trupp Soldaten aus, die sofort einen Kreis um uns bildeten, die Waffen im Anschlag.
    Digger Choi stand neben uns. Er schien zu begreifen, dass ihm nichts anders übrig blieb als sich zu ergeben. Er fiel auf die Knie und legte die Hände hinter den Kopf – eine Geste, die auch vor zehntausend (oder zwanzigtausend) Jahren auf einem Schlachtfeld verstanden worden wäre. Die Soldaten hielten die Waffen weiter auf uns gerichtet, während Allison eine Erklärung stammelte – eine Erklärung oder eine Forderung.
    Nachdem sie sich kurz beraten hatten, winkten uns die Soldaten in die Flugmaschine. »Sie bringen uns nach Vox-Core«, sagte Allison deutlich erleichtert. »Sie glauben mir nicht ohne Weiteres, aber sie wissen, dass wir keine Farmer sind.«
    Und sie wussten, dass Digger Choi einer war . Einer der Soldaten hob die Waffe und zielte auf den Kopf des Farmers.
    Ich sagte: »Ich gehe nirgendwohin, bis dieser Mann seine Waffe herunternimmt. Sag ihm das.«
    Angesichts des Tötens ringsherum war der kurze Prozess, den man mit Digger Choi machen wollte, vermutlich eine Bagatelle. Doch der Mann hatte sein Leben riskiert, um uns zu befreien, auch wenn er es nur widerwillig getan hatte. Jedenfalls hatte ich keine Lust, seiner Exekution beizuwohnen.
    Allison sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren, doch dann nickte sie und übersetzte meine Worte.
    Der Soldat zögerte. Ich trat vor, packte Digger Choi am Unterarm und zerrte ihn auf die Füße. Ich fühlte, wie er zitterte. »Lauf«, sagte ich zu ihm.
    Allison übersetzte auch das, und Digger Choi ließ es sich nicht zweimal sagen. Er stolperte auf den Wald zu, dorthin, wo die Bäume noch nicht in Flammen standen. Die Soldaten zuckten mit den Achseln und ließen ihn laufen.
    Wegen mir lebte er länger. Aber nur ein wenig.
    Die Maschine trug uns über das Schlachtfeld und die Stadtmauer zu einer Landebucht auf einem der Türme von Vox-Core. Während des kurzen Fluges wurde den Soldaten wohl unsere Identität bestätigt, denn nach einer leisen Unterhaltung begegneten sie uns mit ausgesuchter Freundlichkeit. Noch ehe die Maschine aufsetzte, hatten sie uns frische Kleidung gegeben (nagelneue Overalls, diesmal in einem Blauton). Und ein Soldat, offenbar ein Arzt, bestrich die Verletzung an meinem Handgelenk, die Digger Choi mir im Eifer des Gefechts beigebracht hatte, mit einer Heilsalbe. Er wollte sich auch um die Wunde kümmern, die Allisons Netzknoten hinterlassen hatte, aber sie riss sich mürrisch von ihm los. Wir bekamen Wasser zum Trinken: sauber, kühl, herrlich.
    Der Landeplatz war ein zugiges Flachdach. Wir stiegen aus, und die Soldaten eskortierten uns zu einem riesigen Fahrstuhl, doch am Eingang hielt Allison inne und stellte dem verantwortlichen Offizier eine Frage. Bei seiner Antwort bekam sie große Augen. Sie sagte wieder etwas, er antwortete knapp; der Wortwechsel klang jetzt wie eine Auseinandersetzung, die der Soldat schließlich mit einem

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