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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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Vorfall. Sollte Orrin jemanden an gegriffen haben, dann höre ich zum ersten Mal davon.«
    »Das ist totaler Blödsinn«, sagte Ariel. »Wenn Sie auch nur ein bisschen mit Orrin geredet hätten, dann wüssten Sie, dass das unmöglich ist. Nicht Orrin. Er hat noch nie jemanden angegriffen. Schlägt er eine Fliege tot, entschuldigt er sich erst bei ihr.«
    »Die Anschuldigung ist vielleicht falsch«, sagte Bose, »aber sie erschwert seine Entlassung.«
    Sandra dachte kurz nach. Wie gut kannte sie Orrin wirklich, nach einer einzigen Befragung und einem einzigen Folgegespräch? »Es klingt wirklich nicht nach einem Verhalten, das ich Orrin zutrauen würde. Aber was wollen Sie damit sagen? Dass Congreve lügt? Warum sollte er so etwas tun?«
    »Um Orrin dazubehalten«, sagte Ariel.
    »Aber warum? So wie die Dinge liegen, sind wir unterfinanziert und überlastet. Normalerweise, wenn wir jemanden seiner Familie zurückgeben können, ist das ein Glücksfall – nicht nur für den Betreffenden. Ja, ich habe sogar den Eindruck, dass man Congreve eingestellt hat, weil das Direktorium glaubt, dass er die Zahl der Leute, die bei uns auf Staatskosten leben, reduziert.« Ob aus ethischen Motiven, steht dahin, fügte Sandra in Gedanken hinzu.
    »Vielleicht«, sagte Ariel, »kriegen Sie aber auch nicht alles mit, was bei Ihnen so läuft.«
    Bose räusperte sich. »Vergessen wir nicht, dass Sandra hier ist, um uns zu helfen. Sie ist unsere Chance, für Orrin das Beste herauszuholen.«
    Sandra nickte. »Ich werde sehen, was ich über diesen Vorfall herausfinden kann. Ich weiß nicht, ob ich wirklich helfen kann, aber ich werde mein Bestes tun.« Sie sah Ariel an. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen ein paar Fragen zu Orrin stelle? Je mehr ich über ihn weiß, umso leichter ist es für mich, die Sache voranzutreiben.«
    »Ich habe Officer Bose doch schon alles gesagt.«
    »Würde es Sie stören, sich zu wiederholen? Mein Interesse an Orrin ist ein wenig anders gelagert als das von Officer Bose.« Völlig anders, dachte Sandra – auch wenn sie diesen Jefferson Amrit Bose noch nicht ganz durchschaute. »Hat Orrin immer bei Ihnen gelebt?«
    »Bis er in den Bus nach Houston gestiegen ist, ja.«
    »Sie sind seine Schwester – was ist mit Ihren Eltern?«
    »Ich und Orrin hatten verschiedene Väter, und keiner blieb da. Unsere Mutter hieß Danela Mather. Ich war sechzehn, als sie starb. Sie hat sich um uns gekümmert, so gut sie konnte, aber sie verlor schnell die Nerven. Und zum Schluss hatte sie ein Drogenproblem. Das und die falschen Männer, wenn Sie wissen, was ich meine. Danach hab ich mich um Orrin gekümmert.«
    »Und war er pflegeleicht?«
    »Ja und nein. Er brauchte nie viel Zuwendung. Orrin war immer gern allein, hat sich mit Bilderbüchern und solchen Sachen beschäftigt. Selbst als er klein war, hat er nie viel geschrien. Aber mit der Schule konnte er nichts anfangen. Er hat immer geheult, wenn Mama ihn zum Unterricht brachte, also hat sie ihn meistens zu Hause gelassen. Und er konnte sich nicht selbst ernähren. Wenn er nicht zweimal am Tag was vorgesetzt bekam, hat er einfach nichts gegessen. Ja, so war das.«
    »Er war also anders als andere Kinder.«
    »Er war schon anders, aber wenn Sie meinen, er wäre zurückgeblieben – nein, das stimmt nicht. Er kann schreiben und lesen. Er ist klug genug für eine Arbeit, wenn ihn nur jemand einstellen würde. Es ist eine Weile her, da hat er in Raleigh als Nachtwächter gearbeitet, und hier auch, sagt Officer Bose, bis man ihn entlassen hat.«
    »Hat Orrin jemals Stimmen gehört oder Dinge gesehen, die nicht da waren?«
    Ariel verschränkte die Arme und funkelte Sandra an. »Ich hab doch gerade gesagt, dass er nicht verrückt ist. Er hat einfach viel Fantasie. Das hat man schon gemerkt, als er noch klein war. Daran, wie er mit seinen Spielzeugfiguren Geschichten erfunden hat. Oder wie er vor dem Fernseher saß und auf den leeren Schirm gestarrt hat, als wäre das, was er da sah, genauso interessant wie irgendeine TV-Show. Oder wie er immer in den Himmel blickte, wo die Wolken vorbeizogen. Oder auf Fensterscheiben, wenn es draußen geregnet hat. Ist das verrückt? Ich glaube nicht.«
    »Das glaube ich auch nicht.«
    »Und was soll das dann? Holen Sie ihn doch einfach da raus, wo man ihn festhält.«
    »Das ist nicht so einfach. Ich muss meine Kollegen davon überzeugen, dass sich Orrin nicht wieder selbst in Gefahr bringt. Was Sie mir da erzählen, ist sehr hilfreich. Das ist

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