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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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und immer ein bisschen skeptisch, ganz wie er es erwartete. Er war seinerseits bedacht, sich bei mir einzuschmeicheln, und es brauchte nicht mehr als dann und wann ein Wort des Dankes, um ihn zuversichtlicher zu stimmen. Vermutlich glaubte er, mich zu guter Letzt doch noch für die Sache von Vox gewinnen zu können – was immer das war oder werden würde.
    Oscars Vorteil in diesem unerklärtem Duell war das Netzwerk: dessen allgegenwärtige Augen und dessen gigantische Rechenkapazität. Mein Vorteil war, dass ich weder vernetzt noch überhaupt ein Einheimischer war, was mich undurchschaubar machte. Als ich verlangte, Isaac Dvali zu sehen, war Oscar überrascht, aber er willigte ein. Und als ich darauf bestand, Allison mitzunehmen, stimmte er auch dem zähneknirschend zu.
    Es stellte sich heraus, dass sich Isaac nicht weit von den Räumen entfernt aufhielt, die ich mit Allison teilte. Er wurde auf einer Station zwei Korridore achtern behandelt, und Oscar brachte uns dorthin, ohne sich um die schrägen Blicke des medizinischen Personals zu sche ren. Er warnte mich allerdings, dass Isaacs Verletzungen sehr schwer gewesen seien und ich womöglich schockiert sein könnte.
    »Ich habe schon einiges gesehen«, sagte ich. »Ich bin nicht so leicht zu schockieren.«
    Wie sich zeigte, hatte ich den Mund zu voll genommen.
    Isaac wurde nicht bewacht, doch er wurde rund um die Uhr von medizinischem Personal betreut, und Oscar musste erst einige der Verantwortlichen konsultieren und beschwichtigen, ehe man uns erlaubte, das Zimmer zu betreten, in dem Isaac lag – umgeben von lauter Maschinen, die ihn am Leben hielten.
    Zum ersten Mal war ich Isaac auf dem Gelände seines Vaters in der äquatorianischen Wüste begegnet. Schon damals war etwas Unheimliches von ihm ausgegangen: ein Junge, den man mit hypothetischer Nanotechnologie hybridisiert und isoliert vom Rest der Welt aufgezogen hatte. Ich habe ihn nie wirklich kennengelernt damals, als wir zusammen im Ödland waren – ich bezweifle, dass ihn überhaupt jemand wirklich kennengelernt hat –, aber ich war freundlich zu ihm und ich glaube, er war froh darüber. Isaac, den es mehr als uns andere in den temporalen Bogen gezogen hatte, verdiente ein zweites Leben.
    Aber nicht dieses Leben, dachte ich.
    Ein großer Teil seines Körpers war beim Angriff auf Vox-Core zerstört worden; der Rest hatte schwere Verbrennungen davongetragen. Dass Isaac noch am Leben war, zeugte vom hohen Standard der voxischen Medizin und den Kräften der hypothetischen Biotechnologie in seinem Innern.
    Allison blieb in gebührendem Abstand stehen, während Oscar und ich näher an das Nest aus Schläuchen und Leitungen herantraten. »Viele Teile mussten neu gezüchtet werden«, flüsterte er. »Das linke Bein, der linke Arm, die Lunge, die meisten inneren Organe. Vom Hirngewebe konnte nur ein Bruchteil gerettet werden.«
    Isaacs Kopf steckte in einer gallertartigen Haube, die die fehlenden Teile des Schädels ergänzte. Das rechte Auge, der Kiefer und die Wangenknochen waren intakt; alles andere war eine schäumende, rötliche Masse. Haut, Knochen und Hirngewebe würden langsam wieder aufgebaut, sagte Oscar.
    Ich trat noch einen Schritt näher heran, und Isaacs rechte Pupille folgte der Bewegung. Das hieß wohl, dass wirklich jemand in diesem lebenden Wrack steckte – jemand, den man nur schwer als Mensch bezeichnen konnte.
    »Isaac«, sagte ich.
    »Es ist unwahrscheinlich, dass er Sie hören kann«, flüsterte Oscar.
    »Isaac! Ich bin es, Turk. Erinnerst du dich an mich?«
    Keine Reaktion. Isaacs intaktes Auge war feucht; die andere Augenhöhle sah aus wie ein Napf randvoll mit scharlachrotem Gelee.
    »Du bist ziemlich schwer verletzt«, sagte ich, »aber die kriegen dich schon wieder hin. Es braucht seine Zeit. Ich komme dich ab und zu besuchen, okay?«
    Isaac öffnete den zahnlosen Mund und seufzte.
    Als wir gingen, war Allison anzumerken, dass sie zornig war. Sie wartete, bis wir im Korridor waren, dann wandte sie sich an Oscar. »Ihr behandelt ihn nicht nur«, sagte sie mit bebender Stimme. »Ich habe das Interface gesehen. Ihr habt ihn vernetzt . «
    »Der Junge ist etwas Besonderes«, erwiderte Oscar. »Das weißt du. Von allen Aufgenommenen ist er der Einzige, der noch vor dem temporalen Bogen mit den Hypothetischen verschränkt wurde. Er ist der vielversprechendste Vermittler zwischen Vox und den Hypothetischen. Hast du erwartet, wir würden uns auf Worte beschränken, um mit ihm zu

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