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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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wurden ganz schmal. »Natürlich erinnere ich mich.«
    »Aber als er versucht hat, die State Care zu verlassen, hat er mit dem Pfleger gekämpft, der ihn zurückhalten wollte.«
    »Das ist eine Lüge.«
    »Vielleicht, aber der Pfleger trug am Tag darauf einen Verband. Er behauptet, Orrin hätte ihn gebissen.«
    »Diese Leute lügen, wenn sie den Mund aufmachen. Ich dachte, Sie hätten den Job quittiert?«
    »Habe ich. Ich arbeite nicht mehr für die State Care. Ich will nur Klarheit, mehr nicht.«
    Ariel ging wieder auf und ab. »Wir machen alle unsere Fehler, Dr. Cole. Ich hab Ihnen gesagt, dass Orrin ein lieber Kerl ist, und das ist die Wahrheit. Vielleicht hab ich in unserem letzten Gespräch ein bisschen übertrieben, aber Sie haben zu den Leuten gehört, die ihn eingesperrt haben – ich wollte nicht, dass alles noch schlimmer wird.«
    »Übertrieben? Inwiefern?«
    »Als Halbwüchsiger hatte Orrin ein paar Zusammenstöße. Er ist nicht schnell aus der Ruhe zu bringen, Dr. Cole, und er hasst körperliche Auseinandersetzungen, aber das heißt nicht, dass er noch nie eine hatte. Früher haben ihn die Nachbarskinder oft geärgert. Haben ihn verspottet und so. Meistens ist Orrin weggelaufen, aber es kam vor, dass er die Geduld verlor.«
    Sandra und Bose wechselten einen Blick. Bose sagte: »Wie oft ist so etwas passiert, Ariel?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht ein- oder zweimal im Jahr, als er noch jünger war.«
    »Kam es vor, dass er verletzt wurde? Hat er jemanden verletzt?«
    »Nicht dass ich wüsste …«
    »Ariel, jedes Detail kann uns helfen, Ihren Bruder wiederzufinden.«
    »Wie denn?« Pause. »Na gut. Einmal, da hat er den Lewisson-Jungen so hart getroffen, dass der über dem Auge genäht werden musste. Die anderen Male waren es nur Raufereien. Vielleicht mal ein blaues Auge. Manchmal hat Orrin den Kürzeren gezogen, manchmal nicht.« Wieder Pause. »Danach hat er immer ein schlechtes Gewissen gehabt.«
    »Gut«, sagte Bose. »Noch irgendetwas, worüber Orrin heute Morgen gesprochen hat? Denken Sie nach. Irgendetwas – und wenn es Ihnen noch so nebensächlich erscheint.«
    »Nein. Nur über das Wetter. Im Café hat er sich für den Wetterbericht interessiert. Für kommende Nacht wird heftiger Regen erwartet, und das hat ihn ziemlich aufgeregt. ›Ich glaube, es ist heute Nacht‹, hat er gesagt. ›Heute Nacht ist die Nacht.‹«
    »Was könnte er damit gemeint haben?«
    »Naja, Unwetter fand er immer schon spannend. Donner und das alles.«
    Bose überredete Ariel, auf dem Zimmer zu bleiben – »sonst muss ich euch am Ende beide suchen«. Und Ariel hatte sich inzwischen so weit beruhigt, dass sie Einsicht zeigte.
    »Aber Sie rufen mich an, sobald Sie etwas wissen, ja?«
    »Ich rufe Sie auf jeden Fall an – ob wir etwas wissen oder nicht.«
    Unten in der Lobby unterhielt sich Bose einige Minuten mit dem Portier. Orrin habe auf den Bus in die Innenstadt gewartet, sagte der Mann. Nein, er habe ihn nicht einsteigen, ihn nur da draußen warten sehen. Haut und Knochen, der Junge, verschlissene Jeans und ein gelbes T-Shirt in der Sonne am Straßenrand. »Ein Fall für den Hitzschlag, wenn Sie mich fragen. Diese Busse kommen nur alle fünfundvierzig Minuten.«
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Sandra, als Bose wieder bei ihr war.
    »Kommt drauf an. Vielleicht willst du hier bei Ariel bleiben?«
    »Oder auch nicht.«
    »Mir fallen ein paar Orte ein, wo wir suchen könnten.«
    »Du weißt, wo er hin ist?«
    »Ich habe ein paar Ideen, mehr nicht.«

22
    ALLISON
    Isaac Dvali beschrieb, wie er die Netzwerk-Überwachung ausgetrickst hatte. Turk saß hellwach da, schwieg, beobachtete Isaac, beobachtete mich.
    »Es stimmt«, sagte ich, als Isaac fertig war, und erzählte Turk den Rest. Dass ich vor Tagen mit Isaac gesprochen hatte, dass Isaac über unseren Plan Bescheid wusste und dass (momentan wenigstens) das Netzwerk kein Wort von dem mitbekam, was wir redeten.
    Ich war nicht sicher, ob er mir glaubte, bis er aufstand und durchs Zimmer kam und wir einander offen in die Augen sahen – zum ersten Mal, seit wir begonnen hatten, unsere Flucht zu planen. Dann lagen wir uns in den Armen und versuchten uns alles zu sagen, was wir auf dem Herzen hatten – und was dabei herauskam, war ein glücklich-trauriges Gestammel. Aber Worte waren nicht so wichtig; es reichte schon, ihn im Arm zu haben, ohne sich verstellen zu müssen. Dann berührte meine Hand den Knoten in seinem Nacken: Haut wie Papier, darunter ein fleischiger

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