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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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Isaac an. Für mich sah er vergoldet aus, wie das mittelalterliche Porträt eines Heiligen, doch bei genauerem Hinsehen entdeckte ich Spuren des Traumas, das ihn geformt hatte. Funken in seiner Aura – er war ein Mosaik aus buntem Glas, das nur so sprühte vor Energie. Ich fragte ihn, was ihn mitten in der Nacht zu uns führe.
    »Lass mich erklären«, sagte er.

21
    SANDRA UND BOSE
    Ariel Mather ging in ihrem Motelzimmer auf und ab. Sie zitterte vor Angst. Erst hatte sie darauf bestanden, draußen nach Orrin zu suchen (»Sofort!«), doch Bose hatte sie überreden können, im Zimmer zu bleiben – zumindest so lange, bis sie erzählt hatte, was passiert war. Sandra saß auf dem ungemachten Bett, hörte sorgfältig zu, sagte wenig, überließ die Bühne den beiden anderen.
    Bose sah Ariel mit konzentriertem Blick an. »Ihr seid zum Lunch gegangen.«
    »Naja, rüber zum Café. Wir hatten Hamburger, wenn euch das hilft.«
    »Wie ging es Orrin heute Morgen?«
    »Ziemlich gut, wenn man daran denkt, dass er die Nacht über unter Drogen stand.«
    »Okay, er war also gut drauf. Worüber habt ihr gesprochen?«
    »Über alles, was seit Raleigh passiert ist. Wie er nach Houston gekommen ist und wie ihn dieser Findley angeheuert hat. Ich wollte wissen, warum er abgehauen ist – ob ich was falsch gemacht habe, ob er in Raleigh unglücklich war. Er sagte Nein und dass es ihm leidtut, dass ich mir solche Sorgen gemacht habe. Er hat einfach das Gefühl gehabt, es gibt für ihn in Houston etwas zu erledigen.«
    »Und was?«
    »Hab ich ihn auch gefragt, aber er war verschlossen. Und ich hab ihn nicht bedrängt, weil ich gedacht hab, das ist jetzt erledigt. Wir fahren nach Hause – dachte ich.«
    »Worüber habt ihr noch gesprochen?«
    »Das Wetter. Die verfluchte Hitze. In Raleigh ist es auch heiß, aber in Texas … Ich weiß nicht, warum hier überhaupt jemand lebt, ehrlich. Über sonst nichts, glaube ich. Beim Essen hat er seine Hefte auf dem Schoß gehabt, Sie wissen schon, diese schäbigen Dinger, die Sie ihm gestern zurückgegeben haben.«
    »Hat er irgendwas über die Hefte gesagt?«
    »Heute früh hat er mir ein paar Seiten gezeigt, als ob es ihm peinlich wäre. Da kommen Worte vor, die ich ihm nie zugetraut hätte – Worte, die nicht mal ich kenne. Ich wollte wissen, ob er das geschrieben hat. So ähnlich, hat er gesagt. Ich fragte ihn, wie das geht: so ähnlich schreiben – hast du den Stift in der Hand gehabt oder hast du nicht? Er hat, sagt er. Ob noch jemand dabei war. Nein, sagt er. Dann hast du das also geschrieben, hab ich gesagt, und wozu? Es ist nur eine Geschichte, meinte er … Aber ich bin mir da nicht so sicher, so wie er an diesen Seiten hängt. Wieso? Hat das was mit seinem Weglaufen zu tun?«
    »Ich weiß es nicht. Was war nach dem Lunch?«
    »Er hat sich ein bisschen Sonntagsgeld geschnorrt.«
    »Sonntagsgeld?«
    »Das sagen wir so, zu Hause in Raleigh. Er hat gejobbt, damit wir die Miete zahlen konnten, aber er hatte trotzdem fast immer leere Taschen, also hab ich ihm jeden Samstag ein bisschen Geld gegeben, damit er zum Laden gehen und sich was kaufen kann oder zum Schwimmbad oder zu McDonald’s. Ohne Geld geht er nicht gerne vor die Tür.« Ariel blieb stehen und schüttelte den Kopf. »Ich hab ihm vierzig Dollar gegeben, um ihn bei Laune zu halten. Hab nicht damit gerechnet, dass er wieder durchbrennt. Was sind schon vierzig Dollar in einer Stadt wie Houston? Jedenfalls, nach dem Lunch sind wir hierher zurück, um auf euch zu warten. Dann sagt er, Ariel, ich brauche Kleingeld für den Cola-Automaten. Ich wollte ihm einige Münzen geben, aber er wollte nicht noch mehr Geld, sondern ging runter, um einen Schein zu wechseln. Nach zwanzig Minuten bin ich ihm nach. Er war nicht am Cola-Automaten, also bin ich in die Lobby, aber da war er auch nicht. Der Portier hat gesehen, wie er auf einen Stadtbus gewartet hat – an der Haltestelle am Highway.«
    »Welche Richtung?«
    »Da müssen Sie den Portier fragen.«
    »War Orrin allein oder war jemand bei ihm?«
    »Der Portier hat nichts von einem anderen gesagt.«
    Sandra wartete, bis Bose alles aus Ariel herausgeholt hatte, was aus ihr herauszuholen war. Dann sagte sie: »Ich habe noch ein paar Fragen, wenn das okay ist.«
    Bose schien überrascht. Ariel seufzte genervt, nickte aber.
    »Bei unserer letzten Unterhaltung haben Sie gesagt, Orrin sei ein lieber Junge und würde nie jemandem wehtun, zumindest nicht absichtlich. Erinnern Sie sich?«
    Ariels Lippen

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