Vorübergehend tot
tränenüberströmt zusammenzubrechen.
„Er schämt sich“, sagte der Anwalt.
Welch faszinierende Vorstellung: ein Jason, der sich schämte.
„Also“, sagte ich ganz langsam, während ich versuchte, mir darüber klar zu werden, wie ich weiter vorgehen sollte, da mich das unbefriedigende Treffen mit Sid Matt ungeheuer ermüdete. „Sie rufen mich an, sobald ich irgend etwas Konkretes tun kann?“
Sid Matt nickte, wobei seine Hängebacken leicht vibrierten. Ich verunsicherte den Mann, er war aus ganzem Herzen froh, mein Haus verlassen zu können.
Der Anwalt fuhr in seinem Pick-up von dannen, wobei er sich schon im Fahren einen Cowboyhut auf den Kopf stülpte.
Ich wartete, bis es vollständig dunkel geworden war; dann ging ich hinaus, um nach Bubba zu sehen. Er saß mit ausgestreckten Beinen unter einer kalifornischen Eiche, neben sich Blutflaschen: die vollen rechts, die leeren links.
Ich hatte eine Taschenlampe, und Bubba dort in ihrem Schein sitzen zu sehen war ein ziemlicher Schock, auch wenn ich ja gewußt hatte, daß er dort war. Nachdenklich schüttelte ich den Kopf; irgend etwas war in der Tat schiefgelaufen, als man Bubba 'hinübergeholt' hatte, daran konnte nicht der geringste Zweifel bestehen. Ich war heilfroh, die Gedanken des Vampirs nicht lesen zu können, der verrückt glitzernde Ausdruck seiner Augen reichte mir völlig.
„Hey Süße“, sagte er mit einem Südstaatenakzent, so dickflüssig wie Melasse. „Wie geht's denn? Möchtest du mir ein wenig Gesellschaft leisten?“
„Ich wollte nur sichergehen, daß du es auch bequem hast“, sagte ich.
„Ich könnte mir schon ein paar Orte vorstellen, an denen ich es bequemer hätte, aber da du Bills Mädel bist, will ich von denen lieber gar nicht reden.“
„Wunderbar“, erklärte ich bestimmt.
„Irgendwelche Katzen in der Gegend? Dieses Flaschenzeug geht mir allmählich gepflegt auf die Nerven.“
„Keine Katzen. Aber ich bin sicher, daß Bill bald zurückkommt. Dann kannst du wieder heimgehen.“ Ich machte mich auf den Rückweg ins Haus, denn in Bubbas Gegenwart fühlte ich mich nicht wohl genug, um eine Unterhaltung - wenn man hier überhaupt von Unterhaltung reden konnte - endlos fortzusetzen. Ich fragte mich, welchen Gedanken der Vampir bei seinen langen Nachtwachen wohl nachhängen mochte. Ich fragte mich, ob er sich an seine Vergangenheit erinnerte.
„Was ist mit dem Hund?“ rief er mir nach.
„Der ist nach Hause gegangen“, gab ich über die Schulter zurück.
„Zu schade“, sagte Bubba mehr zu sich selbst und so leise, daß ich ihn fast nicht gehört hätte.
Ich machte mich bettfertig. Ich sah fern. Ich aß ein bißchen Eis und kaute obendrein sogar noch auf einem Müsliriegel herum. Nichts von dem, womit ich mich sonst tröstete, schien mich an diesem Abend beruhigen zu wollen. Mein Bruder saß im Gefängnis, mein Liebster weilte in New Orleans, meine Oma war tot, und irgendwer hatte meine Katze ermordet. Ich fühlte mich einsam und allein und tat mir selbst aus ganzer Seele leid.
Manchmal geht es nicht anders, dann muß man sich einfach in Selbstmitleid suhlen.
Bill hatte meinen Anruf nicht erwidert.
Das war Wasser auf die Mühlen meines Jammers. Wahrscheinlich hatte er in New Orleans eine willige Hure gefunden oder irgendeinen Fangbanger wie die, die jede Nacht vor der Tür des Blood in the Quarter herumlungerten, in der Hoffnung auf eine Verabredung mit einem Vampir.
Wäre ich eine Frau, die gern trinkt, dann hätte ich mich betrunken. Wäre ich eine Frau, die leichthin mit jedem ins Bett geht, hätte ich den wunderhübschen JB du Rone angerufen und mit ihm geschlafen. Aber ich bin weder so dramatisch noch so kraß, also aß ich still vor mich hin ein Schälchen Eis nach dem anderen und schaute mir im Fernsehen uralte Filme an. Irgendein irrer Zufall hatte dazu geführt, daß sie an diesem Abend ausgerechnet den Schinken Blue Hawaii zeigten.
So gegen Mitternacht ging ich dann endlich zu Bett.
Ich erwachte von einem Schrei direkt vor meinem Schlafzimmerfenster und setzte mich senkrecht im Bett auf. Ich hörte dumpfe Schläge, ein Wummern und dann endlich eine Stimme, bei der ich sicher war, daß es sich um die Bubbas handelte, die schrie: „Komm zurück, du Wichser!“
Nachdem ich ein paar Minuten lang nichts mehr gehört hatte, zog ich mir den Bademantel über und ging zur Vordertür. Der vom Außenlicht beleuchtete Garten schien leer. Dann konnte ich ganz am linken Rand des Gartens eine Bewegung
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