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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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gegangen. Er sagt, er habe Amy eine ganze Weile nicht mehr zu Gesicht bekommen, denn sie sei wütend auf ihn gewesen, seiner anderen Frauengeschichten wegen, sehr wütend sogar, und habe sich bei ihrem letzten Stelldichein vor der vergangenen Nacht ziemlich eifersüchtig gebärdet. Er sagt, es habe ihn sehr gewundert, als Amy sich letzte Nacht in der Good Times Bar so offensiv an ihn heranmachte. Er sagt, Amy habe sich die ganze Nacht lang merkwürdig aufgeführt, so, als habe sie irgend etwas vor, etwas, von dem er, Jason, nichts wußte. Er erinnert sich daran, daß er mit ihr geschlafen hat, er erinnert sich daran, daß sie danach zusammen im Bett gelegen und etwas getrunken haben. Danach erinnert er sich an gar nichts mehr - nur noch daran, im Krankenhaus wieder zu sich gekommen zu sein.“
    „Jemand will es aussehen lassen, als sei Jason der Mörder“, verkündete ich entschieden, wobei mir schon klar war, daß ich mich anhörte wie die Heldin in einem zweitklassigen Fernsehfilm.
    „Natürlich.“ Sid Matt schaute so überzeugt und gelassen drein, als sei er selbst letzte Nacht in Amys Wohnung dabeigewesen.
    Verdammt: Wer sagte mir denn, daß er nicht dort gewesen war?
    „Hören Sie zu, Sid Matt“, sagte ich, beugte mich vor und brachte ihn dazu, mir in die Augen zu sehen. „Selbst wenn ich aus irgendwelchen Gründen glauben sollte, daß Jason Amy, Dawn und Maudette umgebracht hat - ich werde nie, nie glauben, daß er die Hand gegen meine Oma erhoben hat!“
    „Nun gut.“ Sid Matt war bereit, sich meinen Überlegungen zu stellen, und zwar aufrecht und ohne Hintergedanken, das jedenfalls signalisierte seine Körpersprache. „Sookie, lassen Sie uns einfach mal einen Moment lang annehmen, Jason sei wirklich irgendwie an diesen Morden beteiligt gewesen. Vielleicht hat dann ja - und so sieht es bestimmt auch die Polizei - Ihr Freund Bill Ihre Großmutter umgebracht, weil die alte Dame mit Ihrer Beziehung zu ihm nicht einverstanden war.“
    Ich versuchte, so auszusehen, als würde ich mir diesen Schwachsinn durch den Kopf gehen lassen. „Nur hatte meine Oma Bill gern, und es hat sie gefreut, daß wir miteinander ausgingen.“
    Einen Moment lang flackerte im Gesicht des Anwalts der nackte Unglaube auf, dann zeigte er wieder sein Pokergesicht. Er selbst würde sich gewiß nicht freuen, wenn seine Tochter mit einem Vampir ausging; er konnte sich wahrhaftig kein verantwortungsbewußtes Elternteil denken, das beim Gedanken an eine solche Beziehung etwas anderes als Abscheu empfand. Zudem konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie er eine Gruppe von Geschworenen davon überzeugen könnte, daß es meine Oma gefreut haben sollte, daß ich eine Beziehung zu einem Typen unterhielt, der mehr als hundert Jahre älter war als ich und dazu noch nicht einmal lebendig.
    Das waren Sid Matts Gedanken.
    „Haben Sie Bill je persönlich kennengelernt?“ fragte ich ihn.
    Daraufhin wirkte er peinlich berührt. „Nein“, mußte er zugeben.
    „Miss Sookie, Sie sollten vielleicht wissen, daß ich für diese ganzen Vampirgeschichten nicht viel übrig habe. Ich glaube, wir brechen in dieser Frage momentan ein Stück aus einer Mauer heraus, und meiner Meinung nach sollten wir lieber dafür sorgen, daß diese Mauer stark und unversehrt bleibt: die Mauer zwischen uns und diesen sogenannten Viruserkrankten. Ich glaube, diese Mauer ist von Gott so gewollt, und ich für meinen Teil werde dafür sorgen, daß der Abschnitt der Mauer, für den ich verantwortlich bin, intakt bleibt.“
    „Das Problem mit dieser Mauer ist nur, Sid Matt“, erwiderte ich, „daß zum Beispiel ich persönlich so erschaffen wurde, daß ich rittlings obendrauf sitze.“ Mein Leben lang hatte ich sorgsam den Mund gehalten, was meine 'Gabe' betraf. Nun mußte ich feststellen, daß ich sie problemlos jedem unter die Nase halten würde, wenn ich Jason damit helfen konnte.
    Sid rückte die Brille auf dem schmalen Nasenrücken zurecht. „Nun!“ verkündete er tapfer. „Ich bin sicher, Gott hat Ihnen das Problem, von dem ich habe reden hören, nicht ohne guten Grund geschenkt. Sie müssen lernen, es einzusetzen, um Seinen Ruhm zu mehren.“
    So hatte es noch niemand gesehen. Darüber würde ich ausführlich nachdenken, wenn ich wieder Zeit dazu hatte.
    „Ich fürchte, durch meine Schuld sind wir vom Thema abgekommen, und ich weiß, wie kostbar Ihre Zeit ist“, entschuldigte ich mich und versuchte, mich wieder auf das Naheliegende zu konzentrieren.

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