Vorübergehend tot
schlank sein, aber jeder in der Kneipe hätte sein Geld eher auf unseren Jungen gesetzt als auf den fleischigen Fremden.
„Schon gut, schon gut!“
„Entschuldige dich bei der Dame.“
„Bei der verrückten Sookie?“ Der Blonde klang, als könne er das nicht ernst nehmen. Er war wohl früher schon einmal hier gewesen.
Rene drückte nun noch stärker zu. Ich sah, wie dem Blonden die Tränen in die Augen schossen.
„Tut mir leid, Sookie, ja?“
Ich nickte, so würdevoll ich irgend konnte. Rene ließ die Hand des anderen abrupt los und deutete mit dem Daumen auf die Tür, um ihm zu verstehen zu geben, er solle lieber verduften. Der Blonde verlor keine Zeit und war im Handumdrehen weg. Sein Gefährte folgte ihm auf dem Fuße.
„Rene, ich hätte das auch allein geregelt“, sagte ich leise, als es aussah, als hätten sich alle anderen Kunden wieder ihren eigenen Gesprächen zugewandt. Wir hatten der Klatschbörse für mindestens zwei Tage neuen Stoff geliefert. „Aber ich weiß es zu schätzen, daß du dich für mich stark gemacht hast.“
„Ich dulde nicht, daß jemand Arlenes Freundin belästigt“, erklärte Rene. „Das Merlottes ist eine anständige Kneipe, und wir alle wollen, daß das so bleibt. Außerdem erinnerst du mich an Cindy, weißt du?“
Cindy war Renes Schwester. Sie war ein oder zwei Jahre zuvor nach Baton Rouge gezogen. Cindy war blond und blauäugig; abgesehen davon hatte ich bisher keine Ähnlichkeiten zwischen uns entdecken können. Aber es schien unhöflich, das laut zu sagen. „Siehst du Cindy eigentlich oft?“ fragte ich. Hoyt und der andere Mann am Tisch ließen sich gerade über die Torergebnisse und Meisterschaftschancen der Shreveport Captains aus.
„Ab und an“, antwortete Rene und schüttelte den Kopf, als wolle er mir damit zu verstehen geben, daß er seine Schwester gern öfter gesehen hätte. „Sie arbeitet in einer Krankenhauskantine.“
Ich klopfte ihm auf die Schulter. „Ich geh' dann mal wieder an die Arbeit.“
Als ich an den Tresen kam, um meine nächste Bestellung abzuholen, hob Sam die Brauen. Ich riß die Augen weit auf, um ihm zu verstehen zu geben, wie sehr Renes Eingreifen mich überrascht hatte, und Sam zuckte leicht die Achseln, als wolle er damit sagen, menschliches Verhalten sei nun einmal ein Buch mit sieben Siegeln.
Aber als ich hinter den Tresen ging, um mir einen Stapel Papierservietten zu holen, sah ich, daß er den Baseballschläger hervorgeholt hatte, den er für den Fall der Fälle unter der Kasse aufzubewahren pflegte.
Den nächsten Tag über hielt Oma mich auf Trab. Sie staubte jeden Winkel unseres Hauses ab und saugte Staub und wischte die Fußböden; ich brachte die Badezimmer auf Hochglanz und fragte mich, während ich mit der Klobürste in der Kloschüssel herumfuhrwerkte, ob Vampire überhaupt aufs Klo gingen. Oma zwang mich, die Katzenhaare vom Sofa zu saugen, und ich leerte sämtliche Papierkörbe und Mülleimer. Außerdem polierte ich all unsere Tische blank und wischte wirklich und wahrhaftig sogar die Waschmaschine und den Trockner feucht ab.
Als Oma mich drängte, rasch noch zu duschen und mir etwas Hübsches anzuziehen, wurde mir klar, daß sie den Vampir Bill für meinen Verehrer hielt. Da war mir ein bißchen komisch zumute. Zum einen, weil sich meine Oma offenbar so große Sorgen um mein gesellschaftliches Leben machte, daß sie zu dem Schluß gekommen war, selbst ein Vampir müsse meiner Aufmerksamkeit wert sein; zum zweiten, weil ich ein paar Überlegungen angestellt hatte, die sich mit denen meiner Oma fast haargenau deckten; drittens, weil Bill unter Umständen genau mitbekommen würde, was Oma und ich in Bezug auf ihn dachten und viertens: Konnten Vampire 'es' überhaupt tun wie Menschen?
Ich duschte, schminkte mich und zog ein Kleid an, weil ich wußte, daß meine Oma sich schrecklich aufregen würde, wenn ich das nicht täte. Ein dünnes Strickkleid aus blauer Baumwolle, mit winzigen Gänseblümchen bestickt, das enger saß, als Oma lieb war und kürzer war, als Jason es für seine Schwester angemessen fand. Das hatte ich jedenfalls zu hören bekommen, als ich das Kleid zum ersten Mal getragen hatte. Ich legte meine kleinen gelben Ohrringe an, die aussehen wie Bälle, kämmte mir das Haar hoch und hielt es mit einem gelben Bananenclip locker zusammen.
Als ich in die Küche kam, warf Oma mir einen merkwürdigen Blick zu. Ich hätte schnell herausfinden können, wie er gemeint war, wenn ich ihr zugehört hätte,
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