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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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worden war.
    Dann machte sich meine Oma daran, Bill auszufragen. Er antwortete höflich und zumindest nach außen hin auch gutwillig. Ein toter Mann also, aber ein höflicher toter Mann.
    „Ihre Familie stammt aus dieser Gegend?“ fragte Oma.
    „Mein Vater war ein Compton, meine Mutter eine Loudermilk“, erklärte Bill bereitwillig und wirkte dabei völlig entspannt.
    „Von den Loudermilks gibt es noch eine ganze Menge“, verkündete Oma. „Aber ich fürchte, der alte Jessie Compton ist letztes Jahr verschieden.“
    „Das weiß ich“, sagte Bill. „Deswegen bin ich ja zurückgekommen. Das Land fiel an mich zurück, und da sich in unserem Kulturkreis das Verhältnis zu Menschen meiner Art geändert hat, beschloß ich, meine Ansprüche geltend zu machen.“
    „Sie kannten die Stackhouses? Sookie erwähnte, Sie hätten schon eine lange Geschichte.“ Meiner Meinung nach hatte Oma das schön formuliert. Ich lächelte meine gefalteten Hände an.
    „Ich erinnere mich an Jonas Stackhouse“, erklärte Bill zu Omas Entzücken. „Meine Leute lebten hier schon, als Bon Temps gerade mal ein Loch in einer Straße am Rande der Zivilisation war. Jonas Stackhouse ist mit seiner Frau und den vier Kindern hergezogen, als ich ein junger Mann von 16 Jahren war. Ist dies nicht auch das Haus, das er gebaut hat - zumindest in Teilen?“
    Mir fiel auf, daß Bill, wenn er von der Vergangenheit sprach, andere Vokabeln benutzte und seine Worte auch anders betonte als sonst. Ich fragte mich, wie viele Änderungen sein Englisch im Laufe des vergangenen Jahrhunderts wohl erfahren haben mochte, was die Alltagssprache und Intonation betraf.
    Nun schwebte meine Oma im siebten Ahnenforscherhimmel. Über Jonas Stackhouse, den Ur-Ur-Urgroßvater ihres Mannes, wollte sie einfach alles erfahren. „Besaß er Sklaven?“ fragte sie.
    „Wenn ich mich recht entsinne, Madam, so hatte er eine Haussklavin und einen Feldsklaven. Die Haussklavin war eine Frau mittleren Alters und der Feldsklave ein sehr großer junger Mann, sehr stark, den man Minas rief. Aber im großen und ganzen haben die Stackhouses ihre Felder selbst bewirtschaftet, wie meine Leute auch.“
    „Oh! Genau solche Sachen würde meine kleine Gruppe zu gern hören! Hat Sookie Ihnen erzählt...“ Noch ein paar Runden vergingen in höflichem Ringelpiez, und dann hatten Oma und Bill sich auf einen Termin geeinigt, an dem der Vampir den Nachkommen bei einem abendlichen Treffen einen kleinen Vortrag halten würde.
    „Wenn Sie Sookie und mich jetzt entschuldigen würden? Dann könnten wir noch einen Spaziergang machen. Es ist eine so schöne Nacht.“ Langsam, so daß ich es kommen sehen konnte, langte Bill herüber, griff nach meiner Hand, stand auf und zog auch mich auf die Beine. Seine Hand war kalt und hart und glatt, und Bills Verhalten formvollendet: Er hatte meine Großmutter nicht ausdrücklich um die Erlaubnis gebeten, mit mir spazierengehen zu dürfen, aber irgendwie hatte er es doch getan.
    „Geht nur, geht nur, ihr beiden!“ sagte meine Oma, vor Glück ganz flatterig. „Ich muß so viele Sachen nachschlagen! Sie müssen mir ganz genau sagen, an welche Namen hier aus der Gegend Sie sich noch erinnern, aus der Zeit, als Sie ...“ An dieser Stelle ging Oma die Luft aus, denn sie wollte nichts sagen, was verletzend sein könnte.
    „Hier in Bon Temps wohnten“, ergänzte ich hilfsbereit.
    „Natürlich“, sagte der Vampir, und die Art, wie er die Lippen zusammenpreßte, zeigte mir, daß er sich ein Lächeln verkneifen mußte.
    Irgendwie standen wir dann an der Tür, und ich wußte, daß Bill mich aufgehoben und ganz rasch mit sich fortgetragen hatte. Ich mußte lächeln, ein ganz spontanes, natürliches Lächeln, denn ich liebe das Unerwartete.
    „Wir bleiben nicht zu lange“, sagte ich zu Oma. Wahrscheinlich hatte sie meinen merkwürdigen Abtransport gar nicht mitbekommen, denn sie sammelte gerade unsere Teegläser ein.
    „Meinetwegen braucht ihr beiden euch nicht zu beeilen“, erwiderte sie. „Ich mache es mir gemütlich.“
    Draußen schmetterten die Frösche, Kröten und Käfer ihre nächtliche ländliche Oper. Bill hielt meine Hand, und wir gingen in den Garten hinaus, der nach frischgemähtem Gras und allen möglichen gerade aufblühenden Dingen roch. Meine Katze Tina trat aus den Schatten und wollte gestreichelt werden, und ich beugte mich vor, um sie am Kopf zu kraulen. Zu meinem großen Erstaunen rieb sich die Katze an Bills Hosenbeinen, wogegen er

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