Vorübergehend tot
nicht beschützt?“
In der Finsternis wirkten Bills Augen fast schwarz. „Nein, ich glaube nicht“, erwiderte er dann.
„Du bist ...“
„Ich bin ein Vampir. Ich denke nicht wie du. Ich kümmere mich nicht automatisch um Leute.“
„Du hast mich beschützt.“ „Bei dir ist es etwas anderes.“
„Ja? Ich hin Kellnerin wie Dawn. Ich stamme aus einer einfachen Familie wie Maudette. Was ist an mir so anders?“
Ich war plötzlich wütend. Ich wußte schon, was nun kommen würde.
Bill tippte gegen meine Stirn. „Anders“, sagte er. „Du bist nicht wie wir. Aber du bist auch nicht wie sie.“
Ich spürte Zorn in mir aufsteigen, der fast schon ein heiliger war. Ich holte aus und versetzte Bill einen Schlag. Was natürlich völlig bescheuert war: Es war, als würde man einem gepanzerten Geldtransporter einen Faustschlag versetzen. In Sekundenschnelle hatte er mich vom Auto geholt und hielt mich so an sich gepreßt, daß ich die Arme nicht bewegen konnte.
„Nein!“ kreischte ich und wehrte mich heftig, aber die Energie hätte ich mir ebenso gut sparen können. Nach einer Weile gab ich auf und ließ mich gegen seine Brust sinken.
„Warum meintest du, ich sollte das mit Dawn wissen?“ Diese Frage klang so vernünftig, daß man hätte annehmen können, die Auseinandersetzung zwischen uns hätte gar nicht stattgefunden.
„Nun, du Fürst der Finsternis“, sagte ich wütend, „Maudette hatte ein paar alte Bißspuren an ihren Oberschenkeln, und die Polizei hat Sam erzählt, das träfe auch auf Dawn zu.“
Wenn man Schweigen charakterisieren kann, dann war Bills Schweigen nach dieser Auskunft nachdenklich. Während er grübelte oder was immer Vampire sonst tun mögen, lockerte sich seine Umarmung, und er streichelte mir gedankenverloren über den Rücken, als sei ich ein Welpe, der geweint hatte und getröstet werden mußte.
„Du hast angedeutet, beide Frauen seien nicht an diesen Bissen gestorben.“
„Nein. Sie wurden erwürgt.“
„Es war kein Vampir.“ Sein Ton ließ keinen Zweifel zu.
„Warum nicht?“
„Wenn ein Vampir sich an diesen Frauen genährt haben sollte, wären sie ausgeblutet worden, nicht erwürgt. Man hätte sie nicht einfach so verschwendet.“
Immer, wenn ich anfing, mich in Bills Gegenwart wohlzufühlen, gab er so etwas Kaltes, Vampirisches von sich, und dann mußte ich wieder ganz von vorne anfangen.
„Dann“, sagte ich müde, „haben wir hier entweder einen cleveren Vampir, der über große Selbstbeherrschung verfügt, oder wir haben es mit jemandem zu tun, der entschlossen ist, Frauen umzubringen, die mit Vampiren zusammen waren.“ „Hm.“
Mir war beim Gedanken an keine der beiden Möglichkeiten recht wohl zumute.
„Denkst du, ich könnte so etwas nicht tun?“ fragte Bill.
Die Frage traf mich unerwartet. Ich wand mich ein wenig aus seiner engen Umklammerung, um zu ihm aufsehen zu können.
„Du hast dir viel Mühe gegeben, mir zu beweisen, wie herzlos du bist“, erinnerte ich ihn. „Was willst du wirklich? Was soll ich glauben?“
Es war so wunderbar, das nicht herausfinden zu können, daß ich fast hätte lächeln müssen.
„Ich hätte die beiden Frauen töten können, aber das würde ich hier und jetzt nicht tun“, sagte Bill. Im Mondlicht hatte sein Gesicht keine Farbe bis auf die finsteren Teiche seiner Augen und die dunklen Bögen seiner Brauen. „Ich will hierbleiben können. Ich will ein Zuhause.“
Ein Vampir, der sich nach einem Zuhause sehnte.
Bill las mir den Gedanken vom Gesicht ab. „Hab' bloß kein Mitleid mit mir. Das wäre ein Fehler.“ Er forderte mich heraus, ihm in die Augen zu sehen.
„Bill, du kannst mich nicht bezirzen oder was du auch sonst immer tun möchtest. Du kannst mich nicht so betören, daß ich mein T-Shirt ausziehe und mich von dir beißen lasse. Du kannst mir nicht einreden, du wärst gar nicht hier gewesen; du kannst keine von den Nummern abziehen, die du sonst immer abziehst. Mit mir mußt du Klartext reden oder Gewalt anwenden.“
„Nein“, sagte er, und sein Mund lag fast auf meinem. „Ich will keine Gewalt anwenden.“
Ich kämpfte gegen den Drang, ihn zu küssen. Aber zumindest war es mein ureigener Drang, nichts künstlich Hervorgerufenes.
„Also, wenn du es nicht warst“, sagte ich und gab mir Mühe, auf Kurs zu bleiben, „dann kannten Maudette und Dawn noch einen anderen Vampir. Maudette besuchte manchmal die Vampirbar in Shreveport. Vielleicht ging Dawn da auch hin. Gehst du mit mir
Weitere Kostenlose Bücher