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Vorübergehend tot

Vorübergehend tot

Titel: Vorübergehend tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlaine Harris
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fragte sich wohl, ob er meine Antwort unverschämt finden sollte. Was ihm meine Miene zu erkennen gab, schien ihn allerdings zu beruhigen.
    „Außer bei der Arbeit hatten Sie also nichts miteinander zu tun?“
    „Das stimmt.“
    „Kam es Ihnen nicht merkwürdig vor, daß Sam Merlotte Sie bat, hier vorbeizufahren und nachzusehen, was mit Dawn sein könnte?“
    „Nein, ganz und gar nicht“, erwiderte ich ungerührt. Nach dem, was Sam mir von Dawns Wutanfall erzählt hatte, schien die Bitte nicht merkwürdig. „Ich komme auf dem Weg zur Arbeit an Dawns Haus vorbei und ich habe keine Kinder wie Arlene, die andere Kellnerin, die in unserer Schicht arbeitet. Also war es für mich einfacher.“ Das klang logisch. Hätte ich erzählt, daß Dawn Sam angeschrien hatte, als er das letzte Mal gekommen war, um zu fragen, warum sie sich nicht bei der Arbeit hatte blicken lassen, hätte das genau den falschen Eindruck hinterlassen.
    „Vor zwei Tagen: Was haben Sie da nach der Arbeit gemacht, Sookie?“
    „Vor zwei Tagen habe ich gar nicht gearbeitet. Es war mein freier Tag.“
    „Was waren Ihre Pläne für diesen Tag?“
    „Ich habe in der Sonne gelegen und meiner Großmutter beim Saubermachen geholfen, und wir hatten Besuch.“
    „Wer kam zu Besuch?“
    „Das war Bill Compton.“
    „Der Vampir.“
    „In der Tat.“
    „Wie lange blieb Compton bei Ihnen?“
    „Ich weiß nicht - bis Mitternacht vielleicht, oder bis ein Uhr?“
    „Wie wirkte er auf Sie?“
    „Er wirkte völlig normal.“
    „Irgendwie nervös? Angespannt?“
    „Nein.“
    „Miss Stackhouse, wir werden uns auf der Wache noch unterhalten müssen. Sie sehen selbst, daß wir hier vor Ort noch eine Weile zu tun haben.“
    „Das ist dann wohl in Ordnung, nehme ich an.“
    „Könnten Sie in etwa zwei Stunden auf dem Revier vorbeikommen?“
    Ich sah auf die Uhr. „Wenn Sam mich nicht bei der Arbeit braucht.“
    „Die Ermittlungen hier sind wirklich wichtiger als die Arbeit in einer Bar, Miss Stackhouse.“
    Ich gebe zu: Da war ich sauer. Nicht, weil Bellefleur dachte, polizeiliche Ermittlungen in einem Mordfall seien wichtiger, als pünktlich zur Arbeit zu kommen - in diesem Punkt war ich seiner Meinung. Sauer war ich wegen seiner unausgesprochenen Vorurteile gegenüber meinem speziellen Arbeitsgebiet.
    „Sie mögen ja von der Arbeit, der ich nachgehe, nicht viel halten. Aber ich bin eine gute Kellnerin, und meine Arbeit gefällt mir. Ich verdiene ebenso viel Respekt wie deine Schwester, die Anwältin, Andy, und das solltest du dir gefälligst hinter die Ohren schreiben. Ich bin nicht dumm, und ich bin auch keine Schlampe.“
    Langsam und äußerst unhübsch lief der Kriminalbeamte rot an. „Entschuldigung“, meinte er dann steif. Immer noch versuchte er, unsere alten Verbindungen zu leugnen, die Tatsache, daß wir dieselbe Schule besucht hatten, daß wir die Familie des jeweils anderen kannten. Er wünschte sich gerade, in einer anderen Stadt als Kriminalbeamter zu arbeiten, wo er die Leute so behandeln könnte, wie es ein Polizist seiner Meinung nach zu tun hatte.
    „Nein, da liegst du nämlich genau falsch, und wenn du diese Haltung erst einmal überwunden hast, wirst du gerade hier in Bon Temps ein besserer Kriminalbeamter sein können als anderswo“, verkündete ich, woraufhin Bellefleur seine grauen Augen erschrocken ganz weit aufriß. Ihn so erschüttert zu sehen bereitete mir ein kindisches Vergnügen, auch wenn ich genau wußte, ich würde früher oder später dafür bezahlen müssen. So war es nämlich immer, wenn ich Leuten einen kurzen Einblick in meine Behinderung gestattete.
    Die meisten Menschen konnten gar nicht schnell genug von mir wegkommen, wenn ich ihnen eine kleine Kostprobe meiner telepathischen Fähigkeiten geliefert hatte. Nicht so Andy: der schien fasziniert. „Dann ist es also wahr!“ hauchte er atemlos, als seien wir allein miteinander und befänden uns nicht mitten auf der Auffahrt einer heruntergekommenen Doppelhaushälfte im ländlichen Louisiana.
    „Nein, vergiß die Sache“, sagte ich rasch. „Manchmal kann ich den Leuten die Gedanken einfach am Gesicht ablesen.“
    Da knöpfte er mir ganz absichtlich in Gedanken die Bluse auf, aber ich war gewarnt, hatte meine übliche geistige Barrikade wieder aufgebaut und reagierte mit einem strahlenden Lächeln. Ich sah allerdings, daß ich ihm damit nichts vormachen konnte.
    „Wenn du so weit bist und mit mir reden willst, dann kommst du ins Merlottes. Wir können im

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